Raketenschutz für La Hague

Luftabwehrraketen sollen Flugzeugattentate auf die atomare Wiederaufbereitungsanlage im französischen La Hague verhindern. Deutschland sieht keine solche Schutzmaßnahme für AKWs vor

PARIS/BERLIN/HAMBURG rtr/dpa ■ Zum Schutz der Atommüll-Wiederaufarbeitungsanlage La Hague vor Flugzeuganschlägen hat Frankreich Luftabwehrraketen in der Nähe in Stellung gebracht. Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums sagte gestern, die Anlage werde durch Boden-Luft-Raketen des Typs Crotale geschützt. Er bestätigte, dass Mirage-Jäger auf einen Luftwaffenstützpunkt in Nordfrankreich verlegt worden seien. Außerdem wurden Radaranlagen des Luftabwehrraketensystems Crotale bei La Hague installiert. Unklar ist, ob der neue militärische Schutz der Anlage nur temporär oder für immer gewährt werden soll.

Die Atomanlage La Hague ist vermutlich noch viel weniger gegen Terroranschläge gesichert als ein Atomkraftwerk. In Frankreich müssen Atomanlagen wie La Hague erst seit 1992 so konstruiert sein, dass sie den Aufprall eines kleinen Düsenjets aushalten. Nach Einschätzung der französischen Expertengruppe WISE könnten die Auswirkungen eines Anschlags in La Hague die Tschernobyl-Katastrophe 67fach überbieten, selbst wenn nur Teile der Anlage zerstört würden.

Veit Bürger, Energieexperte der Umweltschutzorganisation Greenpeace, sagte gestern: „Vor diesem Hintergrund wäre es ein Schlag ins Gesicht aller Franzosen, wenn die deutschen Energieversorger schon in den nächsten Wochen wieder neuen Atommüll nach La Hague liefern würden. Atomanlagen werden immer zu den empfindlichsten Stellen eines Industriestaates gehören. Das Abschalten dieser Risikoanlagen ist der einzige akzeptable Ausweg.“

In Deutschland ist die Stationierung von Luftabwehrraketen in der Nähe von AKWs nicht geplant. Rainer Lingenthal, Sprecher des Innenministeriums, begründete dies damit, dass die Flugstrecken in Deutschland zu nahe an den Atomkraftwerken verliefen. Dadurch wäre die Reaktionszeit, außergewöhnliche Kursänderungen von Flugzeugen zu registrieren und einen möglichen Abschuss anzuordnen, zu kurz. In Deutschland gelte es, die Sicherheitsmaßnahmen auf Flughäfen so zu verstärken, dass Flugzeugentführungen ausgeschlossen seien.

Seit den Anschlägen in den USA hat Frankreich die Sicherheitsmaßnahmen für AKWs, Industrieanlagen und Staudämme verstärkt. Verteidigungsminister Alain Richard hatte erklärt, die Luftwaffe sei darauf vorbereitet, entführte Flugzeuge notfalls abzuschießen.