Das wilde Fest ganz privat

■ Verspätete Lobrede auf eine Jazzplatte

Seit eineinhalb Jahren gibt es die Bremer Band „Das wilde Fest“. Vor kurzem erschien die erste CD „Privat“ auf dem Bremer Laika-Label. „Das wilde Fest“ ist eines von zahlreichen Projekten des Saxophonisten und Gitarristen Ralf Benesch, in dem er zusammen mit Schlagzeuger Achim Färber, Boyke Kranz (Saxophon) und Matthias Kienke (Bass) die verschiedensten Linien seiner Aktivitäten beherzt zusammenführt. Bossa Nova, Freejazz, Neue Musik, Pop, Rock'n'Roll, No Wave, Swing, Polka und was nicht noch alles fließen in-, reiben sich aneinander oder kollidieren spektakulär.

„'Das wilde Fest' ist ein Buch von Joseph Moncure March aus den zwanziger Jahren, in dem die Exzessivität der Beat Generation vorweggenommen wird“, erklärt Benesch die Quelle des Bandnamens. Comic-Künstler Art Spiegelman entdeckte das Buch in einem Antiquariat und illustrierte es kürzlich. Die anarchische Feier gerät zum Fiasko, Konflikte entladen sich in Gewalt und Totschlag. Jazz in einem nicht-puristischen Sinne als wilder Soundtrack dazu – das verhält sich diametral zum Jazz-Betrieb, der sich für gewöhnlich in gesetzter Haltung bei einem Glaserl Wein sittsam gibt. Szenenapplaus, aber eben keine Feier, wie sie zum Beispiel auch Kerouac in „Bebop, Bars und weißes Pulver“ beschreibt.

„Traurig, dass es so etwas derzeit nicht gibt“, findet Benesch und spielt auf dem Album „Privat“ ganz bewusst gegen den Strom - alles andere als simpel oder vordergründig, sondern ungeniert vermengend und zupackend ebenso wie süffisant schnulzig. „Es soll bunt und offen sein, wie es mir eben passt“, formuliert Benesch die Vorgabe. Benutzen, was es gibt. Benesch kam von der klassischen über die Neue Musik zum Jazz. „Ich musste mit 15 Jahren neue Musik auf der Gitarre spielen. Auf Initiative meines Gitarrenlehrers habe ich bei den Tagen für Neue Musik in Darmstadt gespielt. Das war Ende der Siebziger, und die Typen, mit denen ich damals gespielt habe, waren ziemlich abgefreakt, haben Drogen genommen und sich Mahler-Symphonien genauso eingepfiffen wie Van der Graaf Generator, Miles Davis' 'Bitches Brew' und Albert Ayler. Die haben mich auf Jazz gebracht.“

„Privat“ besitzt viel von dieser musikalischen Offenheit, ist allerdings trotz avantgardistischer Elemente kompakt komponiert. Lasziver Bossanova steht neben Style-Clashs wie in „Caribbean Chicken Wrestling“, Zwölftontechnik neben Balkan-Folk. In Zukunft sollen zunehmend kollektive Improvisation und freie Formen integriert werden. „Aber das“, so Benesch, „hat Zeit.“

Das nährt die schönsten Hoffnungen. Der Wermutstrunk: Die zunehmend desolate Situation für Jazz in Deutschland und nicht zuletzt in Bremen bekommt natürlich auch Das wilde Fest zu spüren. „Ich habe gerade angefangen, Konzerte zu buchen, und es ist schlimm. Es gibt kein Geld in den Clubs. Man müsste einen Sponsor im Gepäck haben“, seufzt er, auch mit Blick auf die Bremer Jazz-Szene, die nach der Schließung des Studios Auf den Höfen einen letzten Ort weniger und ein großes Problem mehr hat. Andererseits erinnert er sich noch an eine Geschichte, die ihm sein Gitarrenlehrer erzählte, der eine Zeit lang Saxophon gespielt hat. „Damit hat er aufgehört, nachdem er Perry Robertson in New York besucht hat. Er war so schockiert, wie ein hier berühmter Jazz-Musiker in New York leben muss. Der hat sich dort mit einem Freund ein Bett geteilt, in dem sie schichtweise schliefen. Robertson hat jeden Abend in einer Jazz-Bar für 80 Dollar Standards gespielt. Verglichen damit sieht es hier noch rosig aus.“ Andreas Schnell