„Frieden schaffen sie nicht mit Uniformen“

■ Hans Koschnick und Experten diskutierten Gefahren des Fundamentalismus

„Nichts Besseres weiß ich mir, an Sonn- und Feiertagen, als ein Gespräch über Krieg und Kriegsgeschrei.“ Mit seinem Eingangsstatement provozierte Moderator Michael Geyer, buten & binnen-Mitgründer, das Publikum, das gestern zur Diskussion „Fundamentalismus – eine Gefahr für den Weltfrieden“ ins Schauspielhaus gekommen war. Es war die zweite Debatte, die das Bremer Theater nach den Anschlägen vom 11. September initiiert hatte, diesmal mit der Landeszentrale für politische Bildung.

Geladen war der Politikwissenschaftler Bassam Tibi, der an den Universitäten Göttingen und Harvard Internationale Beziehungen lehrt und muslimischen Glaubens ist. Geladen war auch Margret Johannsen, Nahost-Expertin des Instituts für Friedensforschung an der Uni Hamburg, und geladen war schließlich Hans Koschnick, Ex-Bürgermeister Bremens und leidenschaftlicher Vermittler zwischen Religionen und Kulturen auf dem Balkan, den die Nachricht vom Terroranschlag auch dort überrascht hatte.

„Was war ihr erster, nein, ihr zweiter Gedanke?“ „Ich wurde im Grunde dazu aufgefordert, mich an der Panikmache zu beteiligen“, erinnert sich Johannsen an erste Anfragen der Medien. Auch Koschnick plädiert der Panik zum Trotz für „einen kühlen Kopf“. So seien Masseninfektionen mit dem Milzbranderreger gar nicht möglich. „Warum verstärken wir die Angst mit Regie-rungserklärungen?“ fragt er. Bassam Tibi, der in Usbekistan vom Einsturz des WTC erfuhr, erinnert sich an seinen ersten Gedanken: „Bin Laden hat es geschafft.“

Tibi, der sich als Islam-Reformer begreift und den interreligiösen Dialog fördert, schlug nach einem Parforce-Ritt durch die Geschichte des Islam vor, sich auf die langen aufgeklärten Jahrhunderte dieser Geschichte zu besinnen. Strikte Voraussetzung: die Trennung von Politik und Religion. Doch auch er musste einräumen: der Islam ist ein fait social. Oder, in den Worten der Friedenforscherin Johannsen: Die „Wunden in der Seele des islamischen Volkes, wie Bin Laden es ausdrücken würde, verbinden sich mit religiösen Motiven.“ Wenn die politischen Konflikte religiös aufgeladen werden, und davon nahm Johannsen im Palästinakonflikt auch den jüdischen Staat nicht aus, würden sie viel schwerer lösbar. Dabei seien viele dieser Konflikte absehbar. „Das early warning funktioniert, aber wir haben keine Form des early acting.“ Und „wenn es hart kommt, wird nicht die soft security beispielweise der OSZE genutzt, sondern die hard security der NATO.“

Koschnick hält zwar angesichts seiner Balkan-Erfahrungen eine aufgeklärte islamische Religion für „absolut möglich“, mahnt aber auch den Respekt vor „anderen Grundpositionen“ an: „Wir stellen die Frage nach dem Fundamentalistischen und dem Falschen daran immer nur bei anderen.“ In Bosnien habe er aber auch gelernt: „Mit militärischen Mitteln können sie Kriege stoppen, Frieden schaffen sie aber nicht mit Uniformen.“ Resolutionen diesen Stils habe er satt, wenn mit ihnen nicht auch die Einsicht und der Wille verbunden sei, einen „Teil unserer volkswirtschaftlichen Erträge in solche Friedenprojekte“ zu stecken. hey