Aus dem Urwald auf direktem Wege ins Patentamt

Wem sollen die Erbinformationen von Pflanzen gehören? Den Staaten des Südens, in denen sie wachsen, den Firmen, die sie patentieren, oder allen Menschen? Ab heute tagt die Konferenz zur Nutzung genetischer Ressourcen. Freihandelsabkommen Trips würde Ergebnisse zunichten machen

„Die privatrechtliche Aneignung der Natur erscheint völlig absurd“

BERLIN taz ■ Drei internationale Institutionen verhandeln über die Nutzung der genetischen Ressourcen auf dem Erdball – und was sie jeweils beschließen, ist untereinander nicht kompatibel. Dabei sind viele Länder an allen drei Abkommen beteiligt.

Ab heute treffen sich in Bonn VertreterInnen der 180 Staaten, die die Konvention über biologische Vielfalt (CBD) unterschrieben haben. Auch Abgeordnete indigener Völker und zahlreiche Nichtregierungsorganisationen werden dabeisein.

Das CBD-Abkommen wurde 1992 im Rahmen der Rio-Konferenz ausgehandelt. Darin geht es nicht nur um den Erhalt von Tier- und Pflanzenarten, sondern auch um die „nachhaltige Nutzung ihrer Bestandteile und die ausgewogene und gerechte Aufteilung, der sich aus der Nutzung der genetischen Ressourcen ergebenden Vorteile.“ Wie das konkret aussieht, soll nun in Bonn formuliert werden; verbindliche Beschlüsse werden aber erst im kommenden Frühjahr im niederländischen Den Haag getroffen.

Bereits in Rio wurde vereinbart, dass jeder Staat Gesetze zur Nutzung genetischer Ressourcen erlassen kann.

Vor allem lateinamerikanische Länder unter der Führung Brasiliens favorisieren Regelungen, bei denen sie ihre genetische Ressourcen meistbietend verkaufen können. Sie erwarten einen gute Marktposition, weil in ihren Regionen eine außergewöhnlich große biologische Vielfalt existiert, deren Bestandteile für Pharma- und Saatgutkonzerne interessant sind.

Umstritten ist, welcher Anteil der Einnahmen in die jeweilige Staatskasse fließt und in welcher Form die Gruppen, die die Pflanzen und Tiere häufig seit Jahrhunderten kultiviert haben, an den Geschäften beteiligt werden. Weder die Entwicklungsländer noch die Nichtregierungsorganisationen vertreten hierbei einheitliche Positionen. „Was bei der ganzen Debatte auf Regierungsebene aber völlig unterzugehen droht, ist die Frage, ob der Wert pflanzengenetischer Ressourcen überhaupt in Geld gemessen werden kann und soll. Indigene Gemeinschaften besitzen häufig ein Naturverständnis, in dem eine privatrechtliche Aneignung der Natur völlig absurd erscheint“, sagt Karsten Wolff von der Agrarkampagne des Bundeskongresses entwicklungspolitischer Aktionsgruppen (BUKO).

Die zweite Organisation, die über die Nutzung von Erbgut verhandelt, ist die UN-Organisation für Landwirtschaft und Ernährung (FAO). Sie hatte 1983 in dem völkerrechtlich nicht bindenden International Undertaking on Plant Genetic Ressources (IUPGR) ein anderes Prinzip zum Maßstab erklärt: Die genetischen Ressourcen von landwirtschaftlichen Nutzpflanzen sind als gemeinsames Erbe der Menschheit anzusehen. Nur wenn sie allen zugänglich bleiben, können immer wieder neue Sorten gezüchtet werden, die mit sich verändernden Umweltbedingungen klarkommen. Allerdings sollten diejenigen, die die genetische Vielfalt pflegen, dies nicht kostenlos tun. Deshalb wurde ein Fonds eingerichtet, aus dem die Bauern unterstützt werden sollten. Doch offenbar sah sich bisher niemand veranlasst, in diesen Topf bedeutende Beträge einzuzahlen.

Anfang Juli 2001 brachte die FAO dann nach siebenjährigen Verhandlungen ein verbindliches Papier auf den Weg, das auf dem Welternährungsgipfel im November in Rom unterschrieben werden sollte.

Zentraler Punkt: Freier Zugang aller Züchter zu den genetischen Ressourcen von 35 Nutzpflanzenarten. Doch der Gipfel ist inzwischen auf den Juni kommenden Jahres verschoben worden – offiziell wegen der Anschläge vom 11. September.

Völlig unvereinbar mit dem IUPGR und der CBD ist das TRIPS-Abkommen, das die Welthandelsorganisation WTO 1994 verabschiedet hat und das beim WTO-Gipfel im kommenden Monat überprüft werden soll. Im TRIPS-Vertrag geht es um den Schutz des geistigen Eigentums. Alle WTO-Mitglieder sind demnach nach Ablauf bestimmter Übergangsfristen verpflichtet, Patente für neue Technologien zu erteilen. Dazu zählen ausdrücklich auch Innovationen im Bereich der Gentechnik. Wer urheberrechtlich geschützte Pflanzen anbaut, soll Lizenzgebühren zahlen – selbst wenn er und seine Vorfahren die Ursprungspflanze gezüchtet hatten. Vor allem mehrere afrikanische Länderfordern hier Änderungen, während die Industrieländer – allen voran die USA – das strikt ablehnen.

Setzen sie sich durch, werden die Ergebnisse der kommenden Woche in Bonn schon in wenigen Wochen Makulatur sein.

ANNETTE JENSEN