„Seht her, wir haben Recht gehabt“

Bernard Cassen, Mitinitiator von Attac, warnt vor der Illusion, Politiker könnten nach dem 11. September Kritik von Globalisierungsgegnern bereitwilliger umsetzen: „98 Prozent unserer Forderungen stoßen auf taube Ohren“

taz: Auf dem Kongress wurde auch über das zweite Weltsozialforum diskutiert, das Attac vorbereitet und das im Januar in Porto Alegre stattfinden wird. Soll es da ein Programm geben und konkrete Ergebnisse?

Bernard Cassen: Es soll ein buntes Spektrum geben. Wir sind eine große internationale Bewegung, da gibt es unterschiedliche Prioriäten.

Aber würde es Ihre politische Schlagfähigkeit nicht steigern, wenn Sie sich in Porto Alegre auf gemeinsame Ergebnisse einigen könnten?

Es soll dieses Jahr eine Reihe von konkreten Forderungen geben. Die kann dann unterschreiben, wer will: nicht Attac als Gesamtheit, sondern die einzelnen Gruppen, die Mitglied sind im Bündnis. Das erste Forum, das war wie die Nullnummer bei einer Zeitung. Nächstes Jahr, das wird die Nummer eins.

Haben Sie seit dem 11. September das Gefühl, mit Ihrer Kritik bei vielen Politikern offene Türen einzurennen?

Überhaupt nicht. Jetzt werden unsere Forderungen zu zwei Prozent gehört. Aber es bleiben die 98 Prozent, die auf taube Ohren stoßen.

Hat die Bewegung an Bedeutung verloren?

Vielleicht schenken uns die Medien nicht mehr so viel Beachtung wie vor den Anschlägen. Aber die Situation hat sich doch nicht verändert, nur weil in den USA 6.000 Menschen gestorben sind. Nach wie vor sterben jeden Tag 30.000 Kinder an Hunger, ob es den 11. September gegeben hat oder nicht. Die Gründe, die uns dazu bewogen haben, gegen die Globalisierung zu kämpfen, bestehen unverändert weiter.

Neu ist aber doch, dass Forderungen nach einer Abschaffung der Steuerparadiese zum Beispiel jetzt auch von führenden Politikern erhoben werden. Freut Sie das nicht?

Ach, da darf man sich keine Illusionen machen. Die fangen jetzt gerade einmal an, über solche Themen nachzudenken.

Wird Attac diesen beginnenden Wandel nutzen?

Wir sagen: Seht her, wir haben Recht gehabt. Und wir hoffen, dass die Öffentlichkeit das auch mitkriegt.INTERVIEW: KATHARINA KOUFEN