Bürokratisches Eintrittsgeld

Eine Posse aus dem Hamburg von heute: Rampe für Rollstuhlfahrer kostet bürokratisches Wegegeld  ■ Von Sandra Wilsdorf

Im Schulterblatt gibt es eine Rampe. Die ist aus Holz gefertigt und trägt ganz nach behördlicher Vorschrift ein Geländer an der Seite, damit jeder sie gut sehen kann. Sie soll Rollstuhlfahrern den Zugang zur „Buchhandlung im Schanzenviertel“ ermöglichen, und ihre Existenz verdankt sie der Stadtentwicklungsbehörde, die 1995 den Geschäftsinhabern des Schanzenviertels zu ebensolchen Rampen geraten hatte. Zwei Geschäfte griffen die Idee damals auf, eines davon ist die Buchhandlung.

Weil die Rampe logischer- und praktischerweise Geschäft und Bürgersteig verbindet, ist sie eine „Sondernutzung“ desselben, und das ist nicht umsonst: Davon, dass die Buchhandlung jedes Jahr 60 Mark an die Behörde zahlen muss, erfuhr der Behindertenverband „Autonom Leben“ erst vor einigen Monaten und empörte sich darüber. „Wir wollten das zunächst nicht glauben“, schreibt Gerlef Gleiss deshalb an Rolf Miller, den Chef des Bezirksamts Mitte. „Nicht diejenigen werden bestraft, die sich weigern, ihre Räume für alle nutzbar zu machen und die damit tagaus tagein gegen die Hamburgische Bauordnung verstoßen, sondern diejenigen, die sich bemühen, dieser Bauordnung wenigstens annähernd zu genügen“, findet er.

Gleiss schlägt vor, der Buchhandlung umgehend die gezahlten Gebühren zurückzuerstatten und stattdessen Strafgebühren von den Kaufleuten ohne Rampe zu kassieren, da sie nicht sicherstellen, was das Gesetz verlangt - einen Zugang für alle Bürger zu ermöglichen.

Sechs Wochen benötigt das Bezirksamt, um Gerlef Gleiss Folgendes zu antworten: Der vorgeschlagene Weg, „ist natürlich nicht gangbar – und vermutlich auch von Ihnen nicht ernsthaft erwogen“. So weit so simpel. Bei der Bearbeitung der ganzen Sache fand die Sachbearbeiterin dann noch eine Unge-heurlichkeit heraus: Die Prüfung des „Sondernutzungsvorgangs war insofern schwierig, als die 1995 erteilte Erlaubnis für das Auslegen einer Rollstuhlrampe vor dem Ladeneingang Schulterblatt 55 nur bis zum 31.12.98 befristet war. Ein Verlängerungsantrag wurde nicht gestellt“, schreibt sie. Und jetzt kommt's: „Das heißt, es gibt derzeit keine gültige Erlaubnis.“

Die Rampe ist zu allem Überfluss also auch noch illegal. Nichts, dass das die Stadt hindern würde, weiter die jährlich anfallenden Gebühren zu kassieren: Erkundigungen der Sachbearbeiterin bei der Landeshauptkasse hätten immerhin ergeben, „dass das Sondernutzungsentgelt weiter gezahlt worden ist“. Gut so, denn so verlangen es Recht und Gesetz, wonach „auch für nicht genehmigte Nutzungen Gebühren zu zahlen sind“. Aha.

Ob die Behörde dennoch auf den Wegezoll der Rampe verzichten kann, bedarf einer längeren Prüfung. Zunächst soll jetzt erst einmal eine Stellungnahme der „ehemaligen Erlaubnisinhaberin“, gemeint ist wohl die Buchhandlung, angefordert werden. Und vielleicht würde ja der Umbau des Schulterblatts die Situation in Zukunft erleichtern.

Buchhändler Peter Hass regt sich über die jährlichen 60 Mark schon gar nicht mehr auf, eher über das Prinzip. „Wir alle im Laden finden schon merkwürdig, dass die Stadt nach außen hin behindertenfreundlich tut, aber dann die bestraft, die das in die Tat umsetzen.“ Die Gebühr ist im Übrigen gar nichts im Vergleich zu den Rampen selbst, die natürlich auch nicht die Stadt bezahlt. 2000 Mark haben sie die „Buchhandlung im Schanzenviertel“ bereits gekostet. Die derzeitige ist nämlich schon die Vierte.

Die ersten beiden waren irgendwann hinüber. Immerhin war die aktuelle Rampe umsonst und ein Geschenk der Polizei: Bei ihrer Jagd auf Dealer hatten nämlich Polizisten Rampe Nummer 3 über den Haufen gerannt und dabei das Geländer zerstört.