Neue Einigkeit nach dem Debakel

Statt Merkel zu kritisieren, drängt die CDU-Spitze auf einen Rückzug des Berliner Landeschefs Eberhard Diepgen

BERLIN taz ■ „Gestritten“, sagt Volker Rühe, „gestritten haben wir nur über Usbekistan.“ Weitere Auskünfte, spottet das CDU-Präsidiumsmitglied, erteile gerne der „usbekistanpolitische Sprecher“ der Bundestagsfraktion, Friedbert Pflüger. Aber auch der mag nicht sagen, ob denn das desaströse Ergebnis der Berliner CDU im Bundesvorstand Fragen nach Angela Merkels Mitschuld provoziert habe: „Ich bin schon in Gedanken bei Usbekistan.“

Usbekistans Rolle in der Anti-Terror-Koalition, wirklich das einzig strittige Thema an diesem Montag? „Nein, Kasachstan war auch dabei“, erwidert ein ungewohnt schlagfertiger Eberhard Diepgen, ehemaliger Regierender Bürgermeister und Nochlandeschef der CDU in Berlin. Es fällt der Partei schwer, über ihren Verlust von mehr als 17 Prozentpunkten zu reden. Der saarländische Ministerpräsident Peter Müller fand die drastischsten Worte und sprach von „einem hundsmiserablen Ergebnis“.

Die Stimmung im Parteivorstand war denn auch „der Lage entsprechend“, wie ein Teilnehmer sagt. Kritik an Merkel blieb aber nach übereinstimmenden Aussagen offenbar aus. Diepgen konnte mit einer angeblich gerade mal dreiminütigen Kurzanalyse seine Kollegen weder intellektuell noch emotional davon überzeugen, dass er weiterhin der richtige Mann an der Spitze des Landesverbandes ist. Vor allem auf seinen Rücktritt zielten die öffentlichen Appelle von Hildegard Müller über Jürgen Rüttgers bis hin zu Angela Merkel, die Berliner CDU müsse unbedingt „die Erneuerung fortsetzen“.

Der Spitzenkandidat Frank Steffel ist dabei in der Bundespartei inzwischen besser angesehen als in der Öffentlichkeit. Dazu mag seine sehr eigenwillige Mischung aus kamikazehafter Opferbereitschaft im Wahlkampf und fortgesetzter Entschuldigungsbereitschaft in der Niederlage beitragen. Lautete sein Kampfruf vor dem 21. Oktober: „Wir sind wieder wer“, heißt er jetzt: „Wir sind immer noch wer.“

Die Partei sucht also die Ursachen in den Umständen. „Für bürgerliche Parteien ist die Frage der Machtperspektive wichtig, weil sonst die Wähler zu Hause bleiben“, analysiert NRW-Landeschef Rüttgers. Bei 25 Prozent liege die Stammwählerschaft der CDU, meint ein hessischer Vorstandskollege, „alles andere müssen wir dazugewinnen“. Das sei auch unabhängig vom Kandidaten nicht geglückt. „Was war die Botschaft der CDU?“, fragt er – und fügt nach einer Kunstpause hinzu: „Na sehen Sie.“

Niemand widersprach gestern Merkels Vorgabe, das Ergebnis sei allein Resultat landespolitischer Umstände. Selbst Steffel präsentierte sich bei der Pressekonferenz als Bodyguard der Parteichefin. Er stellte sich schützend zwischen Angela Merkel und den politischen Fallout des Berlin-Debakels: „Es hat keine bundespolitischen Auswirkungen.“

Die CDU-Vorsitzende vermerkte es mit beifälligem Kopfnicken, schließlich konzentrierte sie sich bereits seit dem Vorabend darauf, jegliche Auswirkung der Berlin-Wahl auf die Frage der Kanzlerkandidatur zu bestreiten. An diesem Montag immerhin gingen die Chefs von CDU und CSU koordiniert vor. Merkel wie Edmund Stoiber priesen in Berlin und München das Modell der SPD von 1998. Damals war die Konkurrenz zwschen Oskar Lafontaine und Gerhard Schröder erst sechs Monate vor der Bundestagswahl entschieden worden. „Das Moment der Unbestimmtheit“ habe der SPD genützt, meinte Merkel. Edmund Stoiber sagte: „Diese Erfahrungen werden wir uns zunutze machen.“

PATRIK SCHWARZ