Bessere Optionen in der Opposition

Nachdem es für Rot-Grün in der Hauptstadt nicht reicht, empfiehlt der Parteirat den Berliner Grünen den Verzicht aufs Mitregieren. Eine Koalition mit der FDP könnte den Grünen im Bundestagswahlkampf eher schaden

BERLIN taz ■ Das Wahlergebnis der Berliner Grünen steht im Schatten des Krieges. Mehr als eine Stunde berichtete Außenminister Joschka Fischer gestern im Parteirat über die Lage in Afghanistan. Danach blieb kaum Zeit, um mit Spitzenkandidatin Sibyll Klotz über das Ergebnis vom Sonntag zu diskutieren. Eines aber war schnell klar: Am liebsten wäre den Bundespolitikern, wenn die Berliner Kollegen in die Opposition gingen. Denn eine Ampelkoalition ausgerechnet in der Hauptstadt würde es den Grünen erschweren, im Bund glaubwürdig gegen eine mögliche sozialliberale Koalition in den Wahlkampf zu ziehen.

Nun wollte man die Berliner Grünen nicht öffentlich unter Druck setzen. Und so begnügte sich Parteichef Fritz Kuhn anschließend mit den Worten: „Für uns ist die Frage, was für eine Koalition da rauskommt, vor allem eine inhaltliche Frage.“ Es komme darauf an, was SPD und FDP anböten.

Etwas ehrlicher äußerte sich Sibyll Klotz, die mit Kuhn vor die Presse getreten war, zu einer möglichen rot-rot-grünen Koalition. „Da wären wir nur das fünfte Rad am Wagen.“ Das sei aber nur „ihre persönliche Einschätzung“. Doch damit weiß sie sowohl den Parteirat hinter sich als auch den größten Teil des grünen Landesverbandes.

Das Ergebnis der PDS ist für die Grünen alles andere als bequem. Im Osten, so die einhellige Meinung im Parteirat, würden die Grünen „als Funktionspartei“ nicht mehr gebraucht. Schließlich gebe es nun mit der starken PDS schon „drei Volksparteien“ – und damit praktisch immer eine Möglichkeit zur Regierungsbildung.

Ansonsten herrschte im Parteirat, wie Mitglieder anschließend berichteten, eher eine positive Stimmung vor. Die meisten sprachen von „einer Stabilisierung“, nachdem in Berlin zwar in der 17. Wahl in Folge Verluste gemacht wurden – diesmal aber nur knapp ein Zehntel ihrer Stimmen. Zuvor waren es in der Regel um ein Viertel und während des Kosovo-Krieges sogar mehr gewesen. Viele hatten angesichts des Krieges in Afghanistan mit schlimmeren Verlusten gerechnet.

Für eine Debatte über bundespolitische Konsequenzen ist es dem Vernehmen nach zu früh. Einige Linke sprachen allerdings an, künftig mehr „das Spektrum der Meinungen“ innerhalb der Partei in der Öffentlichkeit abzubilden. Doch offen wurde der Kurs der realpolitisch dominierten Bundestagsfraktion nicht infrage gestellt, die auf eine möglichst harmonische Koalitionspolitik setzt. So war offenbar der Vorstoß für einen Bombenstopp von Parteichefin Claudia Roth vorige Woche nicht als Auftakt zu einem konfliktbereiteren Umgang mit der SPD zu verstehen. Auch der Parteirat setzt mehrheitlich auf die harmonische Regierungsvariante.

Doch Roths Vorstoß hat nach Ansicht einiger Berliner Wahlkämpfer der Partei sehr geholfen. Auf der Wahlparty am Sonntagabend im „Luftschloß“ in Berlin-Mitte war die Erleichterung über das Wahlergebnis von mehr als neun Prozent groß gewesen. Mit einem breiten Lächeln war beispielsweise der Berliner Bundestagsabgeordnete Christian Ströbele durch den Festsaal geschritten. „Ich hatte schon befürchtet, es würden nur sieben oder acht Prozent“, erzählter er seinen Berliner Parteifreunden. Doch mancher Bundespolitiker ohne Berlinbezug sah das an diesem Abend weniger rosig. Zwar sprachen alle offiziell von der „Trendwende“ auch für den Bund. Beim Bier allerdings räumten Mitglieder der Führungsspitze ein, dass es bei der Bundestagswahl 2002 diesmal mit der Fünfprozenthürde wieder sehr knapp werden könnte.

MATTHIAS URBACH