Streitpunkte: Verkehr und Bildung

Die Sehnsucht, gemeinsam mit der SPD zu regieren, eint FDP und Grüne. Mehr aber auch nicht: Die Programme der kleinen Parteien scheinen beinahe inkompatibel. Und: Die Spitzenpolitiker können sich gar nicht leiden

Die grüne Spitzenfrau Sibyll Klotz ist aggressiv. Sagt FDP-Mann Günter Rexrodt.

BERLIN taz ■ Was Sibyll Klotz über Günter Rexrodt denkt, hat die grüne Spitzenkandidatin nie verborgen: „Das ist die Superexe: Ex-Senator, Ex-Treuhand, Ex-Wirtschaftsminister.“ Rexrodt sei ein abgehalfterter Politiker, zudem „der geistige Vater“ der Berliner Bankgesellschaft gewesen, deren Pleite die Finanzen Berlins endgültig ruiniert hat. Überhaupt sei die FDP schlicht „die überflüssigste aller Parteien“.

Die Antipathie ist im Pärchen Klotz und Rexrodt nicht einseitig verteilt. Zwar mochte sich der liberale Spitzenkandidat nicht öffentlich über seine Konkurrentin äußern, hakte man aber nach, so gab Rexrodt zu, wie schwer er sich mit Klotz tut. Sie wirke „aggressiv“ und „wenig absprachefähig“. Überhaupt erinnere ihn der Berliner Landesverband der Grünen auch heute noch fatal an jene Alternativen aus den frühen 80er-Jahren, die „nur Geschrei und Gezeter kannten und immer verbiestert das Leid der Welt vor sich her trugen“. Reden so Kollegen übereinander?

Vielleicht nimmt das streitbare Pärchen bald am gleichen Senatstisch Platz. Als einzige numerische Alternative zu einem rot-roten Regierungsbündnis in Berlin bleibt die so genannte Ampel: ein sozialdemokratisch geführter Senat, in dem sowohl FDP als auch Grüne mitwirken. 67 Abgeordnete schicken die drei Parteien zusammen ins Abgeordnetenhaus, die Regierungsmehrheit liegt bei 66 Mandaten. Reicht diese dünne Majorität, wo doch der alte und neue Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit am Wahlabend wieder und wieder betonte, er wolle „mit einer stabilen Koalition fünf Jahre lang regieren“? Das ist offen, nicht erst seit Kanzler Gerhard Schröder gestern Mittag seine Definition von Stabilität erläuterte: „Stabil ist nicht eine Frage der Zahl, sondern dass man sich auf ein stabiles Programm einigt.“

Ein solches stabiles Ampelprogramm würde hohe Anforderungen vor allem an die beiden kleinen Koalitionspartner stellen. Zwar gibt es einige Politikfelder, wo FDP und Grüne relativ einfach Kompromisse finden könnten. Bei anderen Themen erscheinen jedoch die Vorstellungen der beiden Kleinen nahezu unvereinbar.

Konkret ließen sich Übereinstimmungen wahrscheinlich relativ einfach für die Aufgabe „Personalabbau im öffentlichen Dienst“ finden. Berlin leistet sich im Vergleich zu anderen Bundesländern eine überdimensionierte Verwaltung. 16 Milliarden Mark Steuern nimmt Berlin jährlich ein, 14 Milliarden überweist die Stadt sofort an ihr eigenes Personal. Wowereit hat angekündigt, strukturell eine Milliarde bei diesen Personalkosten einzusparen, und betriebsbedingte Kündigungen nicht ausgeschlossen. Letztere wollen die Grünen vermeiden, gehen jedoch prinzipiell d’accord mit dem Sparziel. Die Liberalen wollen den öffentlichen Dienst ebenfalls schlanker machen und vor allem bei den öffentlichen Betrieben Personal abbauen. Auch in der Haushaltspolitik gehen FDP und Grüne prinzipiell in die gleiche Richtung. Die FDP-Forderung, die Nettoneuverschuldung in nur fünf Jahren auf null zu reduzieren, gilt als unrealistisch. Die Grünen streben eine langfristigere Rückführung der Verschuldung an. Hier könnte man sich praktischerweise auf das von Wowereit ausgegebene Ziel Neuverschuldung null im Jahre 2009 einigen.

Fraglich ist hingegen, wie eine rot-grün-gelbe Senatsmannschaft Verkehrspolitik betreiben sollte, ohne dass mindestens ein Partner sein Gesicht verliert. Hier hat die FDP Betonforderungen als „Essentials“ für die Verhandlungen formuliert, etwa die Vollendung des Berliner Autobahnringes und den Ausbau des Flughafens Schönefeld als internationales Drehkreuz. Ähnliches gilt für den Bereich Bildung, ein in Berlin traditionell hochideologisch verhandeltes Thema.

Gibt es also gar keine Basis für eine Ampel, weil sowohl Personal als auch Programm Welten trennen? „Da ist ein enormer Spannungsbogen, das ist gar keine Frage“, gibt Wolfgang Wieland, Justizsenator und zentrale Figur der Berliner Grünen, zu, aber „auf der anderen Seite haben wir in einer solchen Konstellation ein klares Profil und eine klare Verantwortung, für Ökologie zu stehen und gegen diesen Ellbogen-Liberalismus“. Auch die andere Seite hegt angesichts der Aussichten auf eine Senatsbeteiligung Hoffnungen auf einen Ausgleich mit den Grünen: „Es wird darauf ankommen, auch eine menschliche Grundlage für die Zusammenarbeit zu schaffen“, erklärte gestern Rexrodt und fügte nach einer Pause hinzu: „Da muss wirklich noch einiges getan werden.“

ROBIN ALEXANDER