„Die FDP hat bisher kein deutliches Profil“

Der Göttinger Parteienforscher Peter Lösche hält die wieder erstarkte Berliner FDP für stabilisierungsfähig. Dafür sei jetzt jedoch eine enge Politik- und Personalberatung durch die Bundespartei und andere Landesverbände nötig

taz: Die FDP kam bei der Wahl auf knapp 10 Prozent. Worauf führen Sie den Erfolg zurück?

Peter Lösche: Die Hauptursache ist der desaströse Niedergang der CDU. Die bürgerlichen Wähler, die nicht mehr bei der CDU bleiben konnten, haben den Strohhalm FDP ergriffen.

War das Motiv Frust über die CDU? Oder war es eine rationale Entscheidung, um potenziell ein bürgerliches Element in der Regierung zu haben?

Es gibt ganz treue bürgerliche Wähler, die an die CDU gebunden sind, deren Bindung aber nicht die Bankenaffäre überstanden hat. Und es gibt einige wenige, die die FDP gewählt haben, um Rot-Rot zu verhindern.

Gibt es in der Stadt überhaupt eine gesellschaftliche Basis für eine liberale Partei?

Die gibt es heute nicht mehr, jedenfalls nicht als eine parteipolitisch mobilisierbare Basis. Die hat es in der Vergangenheit gegeben. Ende der Vierzigerjahre lag die FDP in Berlin bei rund 20 Prozent. Parallel zur bundesweiten Entwicklung ist die FDP dann aber eine kleine Partei geworden. Der Todesstoß kam in den Siebzigerjahren durch die harten internen Flügelkämpfe zwischen Linksliberalen und Rechtsliberalen. Ausschlaggebend war, dass der rechte Flügel die Berliner Malerinnung in die Partei holte und über diese Innung systematisch für die Partei warb. Die FDP war bereits zu diesem Zeitpunkt so klein, dass man mit strategischen Eintritten und taktischen Tricks die Partei in den Griff kriegen konnte. In den Neunzigerjahren haben das die Nationalliberalen um den ehemaligen Bundesanwalt Alexander von Stahl noch einmal versucht: Genehme Parteimitglieder wurden mit der so genannten Lastwagenpolitik über diverse Kreisverbände verteilt und lieferten sich scharfe Auseinandersetzungen mit dem traditionell liberalen Flügel. Dadurch ist die Partei vor die Hunde gegangen.

Wofür steht die Partei heute?

Das kann man noch nicht sagen. Die FDP-Abgeordneten sind bis auf Günter Rexrodt nahezu unbekannt. Ein politisches Profil hat die Berliner FDP nicht, wenn man von den liberalen Schlagwörtern wie Sparen, Entstaatlichung, Wirtschaft absieht.

Kann die Partei mit knapp 10 Prozent ein Profil entwickeln?

Die Chance ist da, ein eigenes spezifisch liberales Profil zu entwickeln. Aber das hängt sehr stark vom Personal ab.

Kann diese Partei Regierungsverantwortung übernehmen?

Da die FDP eine bundesweit etablierte Partei ist, könnte die desolate Berliner FDP durchaus von außen stabilisiert werden.

Die Fraktionsmitglieder stehen fest, darunter zwei rechte.

Wenn die Abgeordneten unbeschriebene, gutwillige Blätter sind, kann man sie durch eine enge Politikberatung natürlich beeinflussen. Die rechten Abgeordneten sind jedoch ein Risikofaktor für die Ampel.

INTERVIEW: RICHARD ROTHER