Die unbekannten vierzehn

Keine Jugend, keine Überraschungen: Eine neue, aber ganz gewöhnliche Fraktion schickt die FDP ins Abgeordnetenhaus – und zwei Rechtsausleger.

von ROBIN ALEXANDER

„Wie sieht die FDP-Fraktion aus?“, fragt Klaus Wowereit. Dies werde ein entscheidendes Kriterium sein, welche Koalition Berlin bald regieren wird. 9,9 Prozent der Stimmen erreichten die Liberalen am Sonntag und schicken damit fünfzehn Abgeordnete ins Parlament. Betrachtet man diese fünfzehn, bekommt man den Eindruck: Die als „unbekanntes Wesen“ (SPD-Chef Strieder), „junge, schlagkräftige Mannschaft“ (FDP-Chef Rexrodt) beschrieben werden, sind vor allem eins – auffällig unauffällig.

Außer Günter Rexrodt, der bereits am Dienstag einstimmig zum Fraktionsvorsitzenden gewählt wurde, finden sich noch weitere alte Bekannte. Da ist etwa Martin Matz, 36 Jahre, der sich einst als Jungstar der Partei und Berliner Landesvorsitzender in innerparteilichen Richtungskämpfen persönlich aufrieb. Für Matz, der ohne Mandat und Amt als Mitglied des Präsidums der Bundes-FDP quasi von der Gnade der Parteiführung abhing, wäre eine Ampel-Koalition die Chance: Als Senator bekäme er endlich eine Machtbasis für seine Politik. Matz gilt als dialogfähig auch in Richtung der Grünen.

In weniger guter Erinnerung, nicht nur der politischen Öffentlichkeit in Berlin, sondern auch seiner eigenen Partei, ist hingegen Wolfgang Mleczkowski: Der heute 58-Jährige galt als Quertreiber gegen die eigene Fraktionsvorsitzende Carola von Braun. Mleczkowski wird den so genannten „Nationalliberalen“ zugerechnet. So auch Fraktionskollege Axel Hahn aus Neukölln. Zwei erklärte Rechtsaußen schickt die FDP also ins Parlament. Exakt zwei Stimmen würde auch die Mehrheit einer Ampel-Koalition betragen. Die Liberalen als unsichere Kantonisten? „Die Zeiten sind vorbei“, sagt Günter Rexrodt, man habe die ehemaligen Quertreiber eingebunden. Zwar will Hahn für eine Ampel stimmen, „damit nicht die PDS regiert“, er zeigt sich aber schon jetzt dünnhäutig gegenüber seinen künftigen linken Koalitionspartnern. „Eine ziemliche Frechheit von Wowereit“, kommentiert Hahn die Zweifel des Regierenden über die Zuverlässigkeit der FDP-Fraktion. Hahn und Mleczkowski sind Politiker, die sich auf eine stramm rechte Gefolgschaft in ihren Bezirksorganisationen stützen. In Neukölln fordert die FDP etwa, „jeden wegen einer vorsätzlichen Straftat zu einer Freiheitsstrafe verurteilten ausländischen Straftäter unverzüglich und sofort vollziehbar auszuweisen“.

Die Konstituierung der neuen FDP-Fraktion markiert auch das endgültige Scheitern der studentischen Initiative PAM, die 1997 angetreten war, die FDP zu unterwandern. Nicht einer ihrer Vertreter schaffte es in die neue Fraktion. Zuletzt verlor Sophie-Charlotte Lenski im September ihren aussichtsreichen Platz. Statt der 22-jährigen Studentin zieht nun Wolfgang Jungnickel ins Parlament: Ein 73-jähriger Veterinärmediziner. Der Altersdurchschnitt der FDP-Abgeordneten liegt bei 46 Jahren. Gedrückt wird dieser Wert vor allem durch zwei junge Männer: Erik Schmidt aus Marzahn-Hellersdorf ist 24 Jahre alt und tritt auch so auf. Ein anders Format könnte Alexander Ritzmann entwicklen: Der 29-jährige American-Football-Jugendtrainer wird als künftiger innenpolitischer Sprecher der Fraktion gehandelt.

Mehmet Daimagüler, 33-jähriger Vorzeige-Immigrant, hat kein Abgeordnetenhausmandat errungen. Der Linksliberale gilt ob der dünnen Personaldecke der Liberalen dennoch als potenzieller Kandidat für eine Ampel. Hierfür werden auch Martin Lindner, 37, und Mieke Senftleben, 48, gehandelt. Lindner nimmt als einziges Fraktionsmitglied neben Rexrodt an den Sondierungsgesprächen mit der SPD teil. Senftleben, Schulexpertin, wäre für das Betriebsklima jeder Verwaltung eine Bereicherung. Vor Jahren ließ sich die Mutter von fünf Kindern auf einem Plakat für Schnaps ablichen. Ein Gläschen hebend sagt sie dort: „Ich trinke Jägermeister, weil ich bin immer froh im Büro, lieb im Betrieb und nett auch.“