aus dr. seltsams frühschoppen
: JÜRGEN WITTE über Kriegsziele

Was Clausewitz sagen würde

Wer einen Krieg führt, muss auch wissen, was er damit erreichen will. Das sagte schon Clausewitz. Also, ich denk mal, dass der das so gesagt hat. Zum Nachschlagen hatte ich keine Lust. Aber der Clausewitz hat quasi alles gesagt, was allgemein zum erfolgreichen Kriegführen gesagt werden muss. Ganz sicher sagt er irgendwo: „Nur wenn man beim Krieganfangen ganz genau weiß, worum der Krieg eigentlich geht, dann kann man auch eines Tages sagen, so, jetzt ist gut, jetzt können wir auch wieder Schluss machen.“ Das Wichtigste beim Krieg ist doch, dass man weiß, wann man gewonnen hat. Sagt Clausewitz. Sag ich mal.

Das derzeitige generelle Kriegsziel der Westwertekoalition in Afghanistan – ich nenne es mal „Schluss mit dem Terrorismus“ – erfüllt diese Kategorie definitiv nicht. Ob irgendwann wirklich Schluss damit ist, das kann keiner jemals mit Sicherheit sagen. Also wird das wohl wieder einer von den Kriegen werden, die erst zu Ende sind, wenn das Geld ausgeht. Dass so ein Krieg nicht gut ist, das hat Clausewitz sicher auch irgendwo mal gesagt.

Für einen erfolgreichen Krieg nach Clausewitz bedürfte es machbarer Zielsetzungen. Simple Aufgaben wie etwa Kriegsziel 1: Ussama Bin Laden totmachen. Was aber, wenn Bin Laden irgendwann tot ist, und seine Getreuen haben ihn irgendwo in den Bergen verscharrt. Da können die Spezialeinheiten lange suchen. Jahre. Und falls man irgendwo einen Schädel ausbuddelt, wäre es gut, wenn man bis dahin auch die Unterlagen von Bin Ladens Zahnarzt erbeutet hätte. Falls der überhaupt beim Zahnarzt war in den letzten Jahren. Nun werden Oberschlaue sagen, wenn der tatsächlich tot ist, dann gibt der auch keine Statements mehr auf Video ab. Ich aber behaupte: Wie bei Jimi Hendrix, von dem noch Platten veröffentlicht wurden lang nach seinem Tod, kann auch Ussama dutzende Videobänder aufnehmen mit dem immer gleichen Aufruf, dass jetzt aber wirklich richtig heiliger Krieg ist. Was machen die Amerikaner dann? Weiterbomben, egal wie, weil es ja nicht nur um den Mann geht, sondern ums Prinzip? Clausewitz würde dazu sagen: Wer nicht weiß, was er tut, der sollte vom Krieg die Finger lassen.

Kriegsziel 2: Alle möglichen Terroristen vor Gericht und hinter Gitter! Da man die Hauptschuldigen der Anschläge vom 11. September nicht bestrafen kann, die sind leider alle tot, will man jetzt möglichst all jene erwischen, die irgendwann vielleicht auch mal so was machen könnten. Anscheinend ist man der Meinung, man wird in irgendeinem Bunker in Afghanistan oder in einem Safe der Deutschen Bank eine von Ussama eigenhändig geführte Liste finden, wo alle seine Terroristenkumpels nach den Regeln einer ordentlichen Buchführung draufstehen. Am besten gleich mit Verwendungszweck. So was wie damals die Flick-Spendenliste. Das steht dann: Mohammed Atta, Telefonnummer und Adresse und dahinter: 100.000 Dollar wg. World Trade Center. Clausewitz würde dazu sagen, man sollte erst schießen, wenn man das Weiße im Auge des Gegners auch wirklich gesehen hat.

Kriegsziel 3: Alle Länder angreifen und besiegen, die Terroristen Unterschlupf gewähren. Eine vorläufige Liste kursiert schon. Quasi die gesamte arabische Welt steht drauf, außer den reichen Scheichtümern. In Afghanistan soll eines Tages wieder der alte König regieren. Wahrscheinlich wird sich auch irgendwo in Beverly Hills noch ein Neffe des Schahs Reza Pahlewi finden, der gerne wieder im Iran regieren würde. Das ist das leidige Feld der Diplomatie. Von Clausewitz ist bekannt, dass er davon nie viel gehalten hat.

Kriegsziel 4: Der ganzen Welt klar machen, dass wir die einzig Guten sind, egal, wie viel Bomben wir wohin auch immer werfen. Und dass das leider manchmal so ist im Krieg, dass da mitunter auch die schlauesten Bomben dumme Sachen machen. Clausewitz würde dazu sagen: Bullshit! Clausewitz wird ja heute gerade auch wegen seiner einfachen, teils recht drastischen Argumente noch immer gerne zitiert.