Durchsichtige Polit-Strickmuster

Es könnte so schön sein: Wolfgang Clement fordert „den Besten“ als neuen ZDF-Intendanten und streitet beinahe täglich gegen „Mauscheleien im Hinterzimmer“. Doch seine eigene Medienpolitik hält den Störmanövern nicht stand

Da hat einer einen bemerkenswerten Satz gesagt, und die anstehende ZDF-Intendantenkür gemeint: „Wir müssen raus aus dem politischen Kleinklein, weg von den parteipolitischen Strickmustern, aus denen viel zu lange und viel zu oft Personalstrukturen gewirkt werden“, verkündete dieser einsame Rufer in der Wüstenei des politischen Kungelgeschäfts, das in Deutschland zwar den Namen Rundfunkpolitik trägt, sich aber am liebsten mit Personalpolitik beschäftigt.

Zur Erinnerung: Der Nachfolger von Langzeitintendant Dieter Stolte soll am 8. Dezember vom ZDF-Fernsehrat gewählt werden, die Findungskommission hat ein halbes Dutzend Hausgewächse aus der ZDF-Hierarchie und eine Außenseiterin nominiert: Dagmar Reim, Direktorin des NDR-Landesfunkhauses Hamburg, soll sich wohl eher für künftige Kandidaturen beim Norddeutschen Rundfunk (wo nächstes Jahr Intendantenwahlen anstehen) warmlaufen, als dass sie in Mainz tatsächlich eine Chance hätte. Als Favorit für den ZDF-Posten gilt derzeit Gottfried Langenstein, der gemäß der politischen Arithmetik dem Unionslager zugerechnet wird.

Der einsame Rufer nun heißt Wolfgang Clement (SPD). Medienpolitik ist das Metier des NRW- Ministerpräsidenten, sein Sprachrohr neuerdings die Süddeutsche Zeitung: Beinahe täglich plädiert Clement dort in Sachen ZDF für keine „interne, sondern die beste Lösung“ und macht tapfer Front gegen „Mauscheleien in Hinterzimmern“. Zu gerne nähme man ihm all das auch ab, säße er nicht dummerweise qua Amt längst mit im Club, der den Kandidaten kürt: Auch beim ZDF haben die Bundesländer das rundfunkpolitische Sagen und Stimmen bei der Intendantenwahl. Zudem ist auch die Clement’sche Medienpolitik in NRW bisher eher als SPD-(und Bertelsmann-)freundliche Standortpolitik aufgefallen, bei der das „politische Kleinklein“ nicht gerade eine Nebenrolle spielt. Wenn Clement jetzt beim ZDF eine „umfassende Erneuerung des Programms“, einen „Aufbruch [...] mit zupackender Kreativität“ anmahnt, ist das zwar eine – in weiten Teilen durchaus berechtigte – schallende Ohrfeige für die bisherigen Amtsinhaber von Stolte an abwärts.

Da dieser Appell zur Politikferne nun aber ausgerechnet vom Medienpolitiker Clement kommt, zieht er sich selbst den Boden unter den Füßen weg. Und wie man in SPD-Kreisen sonst mit Forderungen umgeht, bei Intendantenwahlen professionelle Kriterien vor den schnöden Politproporz zu stellen, zeigte sich jüngst bei der Deutschen Welle: Hier amtiert als Intendant seit Anfang des Monats der frühere stellvertretende SPD-Bundesgeschäftsführer und Bremische Staatsrat Erik Bettermann.

STEFFEN GRIMBERG