Baden-Württembergs Roland Koch

Obwohl AKW-Sicherheit unter ihm jahrelang klein geschrieben wurde, darf Umweltminister Müller erst mal bleiben

FRANKFURT/M. taz ■ Er ist Teufels Umweltminister, und manch einer hat sich das Wortspiel mit dem bestimmten Artikel schon gegönnt. Gestern wären SPD und Grüne im Stuttgarter Landtag gern weiter gegangen. Sie wollten den seit 1998 amtierenden 56-jährigen Christdemokraten Ulrich Müller schassen. „Aufsichtsversagen“ warfen sie dem auch für die Sicherheit der beiden Blöcke des AKW Philippsburg zuständigen Minister vor und forderten demonstrativ seine Demission. Schließlich war Müller schon seit dem Diebstahl von Plutonium aus der Wiederaufbereitungsanlage in Karlsruhe (WAK) angezählt. Doch Ministerpräsident Erwin Teufel (CDU) hielt dem Parteifreund ebenso die Stange, wie es die Fraktionen der Regierungsparteien CDU und FDP taten.

Schuld an den Sicherheitsdesastern in Karlsruhe und in Philippsburg seien andere, hieß es: nämlich die Betreibergesellschaften – und der TÜV. Doch die politische Verantwortung lässt sich nicht leugnen: Müller muss dafür gerade stehen, dass bei der im Rückbau befindlichen WAK Sicherheitseinrichtungen abgebaut wurden und dass die AKW-Betreibergesellschaft EnBW in Philippsburg über Jahre hinweg Sicherheitsbestimmungen missachten und Meldevorschriften ignorieren durfte.

Mit seinem laxen Aufsichtsgebaren konterkarierte Müller sein eigenes politisches Credo: Eine „offensive Informationspolitik“ wolle er betreiben, hatte er bei seinem Amtsantritt erklärt. Davon aber konnte in den letzten Monaten nicht die Rede sein. Trotzdem steht Müller felsenfest – ähnlich wie Roland Koch (CDU) in Hessen.

Der in Schwäbisch-Hall geborene Sohn eines Hotelgeschäftsführers erbte von der Mutter aus Coburg den fränkischen Dickschädel. Und mit dem machte er bei der CDU, in die er 1967 als Jurastudent eintrat, schnell Karriere. Im Ring Christlich-Demokratischer Studenten profilierte er sich als entschiedener Gegner der Studentenbewegung und der Außerparlamentarischen Opposition. Nach dem Staatsexamen kam er als wissenschaftlicher Referent beim Wirtschaftsrat der CDU unter. 1977 wurde er Staatsbeamter in der Staatskanzlei und Berater der CDU-Landtagsfraktion, wechselte aber 1983 als Hauptgeschäftsführer zur Industrie- und Handelskammer (IHK) Bodensee-Oberschwaben. Angeblich aus familiären Gründen: Die Familie Müller lebt seit 1978 in Ravensburg. Ulrich und Sylvia Müller haben vier Kinder: zwei Söhne und zwei Töchter.

In die Politik brachte Müller sich 1992 selbst zurück. Als Direktkandidat der CDU im Bodenseekreis kam er auf Anhieb in den Landtag. Dort saß er in den Ausschüssen für Verkehr und für Umwelt. Und er galt als entschiedener Gegner der damals das Land regierenden großen Koalition. „Geradlinigkeit“ wurde ihm damals attestiert, von Freund und Feind. In die Landesregierung holte ihn Erwin Teufel nach der von CDU und FDP gewonnenen Landtagswahl von 1996. Müller wurde Staatssekretär im Verkehrsministerium. Als der Minister im Zusammenhang mit einer Spendenaffäre zurücktreten musste, war der Weg frei: Müller konnte Umwelt- und Verkehrsminister werden.

Jetzt könnte ihn der Atomskandal den Job kosten. Müller kämpft – noch. Alle AKW des Landes will er jetzt überprüfen lassen. Das könnte böse ausgehen: für die Betreiber – und für ihn. KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT