Fischer auf schwieriger Mission

Seit dem letzten Besuch des Bundesaußenministers in der Region hat sich der israelisch-palästinensische Konflikt dramatisch verschärft. Beide Seiten versuchen, von der internationalen Konstellation zu profitieren. Kommt es zu einem neuen Dialog?

aus Jerusalem ANNE PONGER

Eine Serie von gezielten Morden, israelische Panzer in acht autonomen Palästinenserstädten, Straßenkämpfe, neue Todesopfer und Verwundete unter Zivilisten, zerstörte Häuser und Obdachlose: Wenn Außenminister Joschka Fischer heute erneut bei Israelis und Palästinensern zu Gast ist, trifft er auf eine seit seinem letzten Besuch im August dramatisch zugespitzte Lage.

Seit die USA sich auch in der arabischen Welt um eine breite Koalition für ihren „Kampf gegen den Terror“ bemühen, ist der israelisch-palästinensische Konflikt nochmals eskaliert. Sowohl Israelis als auch Palästinenser versuchen, aus der neuen Konstellation Vorteile für die eigene Seite zu ziehen. Während Jassir Arafat daran gelegen ist, von Präsident George W. Bush als Partner in der Antiterrorkoalition akzeptiert zu werden, setzt Ariel Scharon alles daran, ihn als glaubwürdigen Partner im „Lager der Guten“ zu diskreditieren.

Israel nimmt sich derweil das Recht, selbst deutlichen Warnungen aus Washington trotzig die Stirn zu bieten. Das muss im Ausland den Anschein erwecken – der von rechtsextremen Politikern und Demonstranten laut unterstützt wird – als wolle Scharons Regierung Arafat entmachten und seine Palästinenserbehörde in die Wüste schicken. Nur – was kommt danach?

Die USA verfolgen derzeit ihre eigenen nationalen Interessen. Bush möchte Arafat weiter an der Macht sehen, aus Sorge vor den Auswirkungen eines Kollapses der Palästinenserbehörde für die gesamte proamerikanische Koalition in der Region. Diesmal scheint Bush seine Geduld mit den Israelis verloren zu haben. Nun droht eine Krise, und möglicherweise konkreter Druck, den eher die Regierung Scharon als die Palästinenserverwaltung zu spüren bekommen könnte. Die von so öffentlicher Diplomatie der USA überraschten Israelis beteuern bereits, ihr brutaler Einmarsch in Palästinenserstädte hätte lediglich kurzfristige operative Gründe gehabt: die Säuberungsarbeit zu erledigen, zu der Arafat unfähig sei. Sobald die Operation beendet sei, werde man sich zurückziehen.

Diese Erklärung wird sich auch Fischer anhören müssen, wenn er heute Scharon und morgen seinen Amtskollegen Schimon Peres trifft. Vom israelischen Botschafter Schimon Stein war er vor seiner Reise entsprechend vorbereitet worden: Fischer müsse in Gaza Druck auf Arafat ausüben, entschlossen gegen den Terror vorzugehen.

Fischer ist in Jerusalem ein gern gesehener Gast, willkommener noch als der EU-Nahostbeauftragte Javier Solana. Aus Kreisen der saudischen Regierung wurde bei Fischers Visite in Riad bekannt, der Bundesaußenminister habe von den USA grünes Licht bekommen, einen neuen Vermittlungsversuch zwischen Israelis und Palästinensern zu starten. Ein gutes Timing: Fischer könnte den Israelis jetzt helfen, sich ohne Gesichtsverlust zurückzuziehen und einem erneuten politischen Dialog zuzustimmen. Gleichzeitig wird hier allerdings erwartet, dass er mit Arafat Klartext spricht.