Gerufene junge Geister

Fachbereich Erziehungswissenschaften an der Uni platzt aus allen Nähten: Doppelt so viele Erstsemester wie Studienplätze  ■ Von Sandra Wilsdorf

Die Botschaft ist angekommen: Wer LehrerIn werden will, ist willkommen. Trotzdem war die Begrüßung der StudienanfängerInnen im Fachbereich Erziehungswissenschaften an der Universität Hamburg in dieser Woche von getrübter Freude. Denn statt der erwarteten 600 Studierenden kamen doppelt so viele: 1200 Erstsemester drängten sich im Hörsaal. Jeder Tutor muss statt 35 etwa 70 Anfänger betreuen. „Die notwendige intensive Beratung zum Studienbeginn“, beklagt Edouard van Diem vom Fachschaftsrat Erziehungswissenschaft, „ist trotz des großen Engagements der Tutoren kaum gewährleistet“.

Noch gravierender werden die Folgen im Hochschulalltag sein: Denn nur jeder zweite Anfänger wird einen der nötigen Seminarplätze ergattern. Auch im weiteren Verlauf des Studiums werden die Kapazitäten gesprengt werden, ein Einhalten der Regelstudienzeiten wird schwer möglich sein. „Dass der neue Hamburger Senat unter diesen Begingungen Studiengebühren für Langzeitstudierende einführen will, ist mehr als zynisch“, klagt Christian Schomann, hochschulpolitischer Referent des AStA.

Die Uni gibt sich überrascht: Angesichts der guten Zukunftsperspektiven für Lehramtsstudenten hatte sie einen Anstieg der Bewerberzahlen zwar erwartet, „doch in dieser Höhe war der Ansturm nicht vorhersehbar“, sagt Vizepräsident Holger Weidner. Gegen den Andrang war die Uni aber auch deshalb wehrlos, weil sie vorschnell zum Sommersemester den Numerus Clausus im Fachbereich Erziehungswissensschaften abgeschafft hatte. „Es kann sein, dass der NC nun wieder eingeführt wird“, sagt Uni-Pressesprecher Peter Wiegand.

Das aber wäre nur der hilflose Ausdruck einer inkonsequenten Politik: Allein in Hamburg werden in den nächsten zehn Jahren die Hälfte der LehrerInnen pensioniert. Die Kultusministerkonferenz sprach im Sommer davon, dass in Norddeutschland bis 2005 über 10.000 LehrerInnen fehlen werden. Kampagnen sollen junge Menschen zum Job in der Schule motivieren, doch die Hochschulen werden nicht entsprechend ausgestattet. Trotzdem will die Uni nicht gleich nach mehr Geld rufen. „Man muss erstmal prüfen, inwieweit vorhandene Kapazitäten noch besser genutzt werden können“, sagt Wiegand.

Hamburg sei im Übrigen nicht die einzige Uni, an der der Ruf nach neuen Lehrern offenbar erhört wurde, „das ist ein bundesweiter Trend“, sagt Wiegand. Allerdings habe Hamburg in allen Fachbereichen überproportional zugelegt. In der kommenden Woche will die Universität entscheiden, ob „zur Qualitätssicherung der Ausbildung zusätzliche Mittel an Lehrkapazitäten zur Verfügung gestellt werden müssen“.