■ Urdrüs wahre Kolumne
: Bremer Kaufhallen-Wehmut

Beim Spazierengehen im Park will ich letzte Sonnenstrahlen des goldenen Oktobers auf einer der wenigen verbliebenen Bänke genießen und lese dabei auf den Planken die mit Kreide gekrakelte Warnung „Milzbrand!“ Habe ich dann einfach mit einem zerknitterten Papiertaschentuch weggewischt, mich niedergesetzt und siehe – ich lebe noch!

In der letzten Woche hatte ich mir geschworen, den ewigen Ladenschwengel KPS künftig, oder doch zumindest für ein Jahr, nicht mehr in diesen Spalten zu erwähnen und damit über sein Plateauschuh-Level hinaus zu erhöhen, aber wo dieser durchtriebene Urian sich schon wieder daran macht, aus Hair-beigezogenen Gründen die Gemeindekasse zu plündern, kommt man einfach nicht umhin. Mit den drei Millionen Westmark, die Schulenberg jetzt abzocken will, mache ich mich anheischig, das Singspielhaus am Richtweg als Karaoke-Horrorshow bis ans Ende aller Zeiten zu betreiben, als Tempel generöser Lustbarkeiten und ohne jede Knebelverträge beim Kartenvorverkauf. Zur Eröffnung gibt es die volkstümliche Revue „Lob der Faulheit“ und im Nightclub des Hauses erleben Sie eine bizarre Domina-Show mit einem Angela Merkel-Duo bei strenger Züchtigung senatorischer Doppelgänger aus allen politischen Lagern.

Eigentlich hätte ich Kussmund Kudella gern als lustigen Ehrengast zur Premiere in die erste Reihe gebeten, aber so wie das jetzt aussieht mit der Bedrohung des Waller Fleet, möchte ich davon vorläufig Abstand nehmen. Wer das von Urvater und Halbgott Wilhelm Kaisen persönlich begründete Biotop für kleine und große Gartenzwerge kaputtmachen will, der verdirbt es sich mit jedem roten oder schwarzen Maulwurf bis ans Ende aller Tage. Einzig der Blitz scheint diese Herrschaften noch erleuchten zu können – und wer kann das schon von uns prinzipiell völlig gewaltfreien Basisdemokraten wünschen, zumal am Ende die Entsorgung der Asche und die Versorgung der Hinterbliebenen doch wieder an der einfachen Frau mit dem Spaten und dem schlichten Manne am Entsaftungs-Kochtopf in der Fruchtpampe hängen bleibt..

Rolf „Bulli“ Herderhorst von der Christenunion sieht also in bündnisgrünen Vorschlägen zur Reform der Abschiebehaft das Gespenst des Viersterne-Hotels durch seine ebenso krausen wie islamophoben Ge-hirngänge huschen. Viersterne-Hotel, das ist natürlich ein großes Wort für einen Menschen, der von seinem ganzen Auftreten her von mir schon als Rezeptionist der Formule 1-Herberge im Industriegebiet um Vorkasse gebeten würde, inklusive Hinweis darauf, dass die Handtücher abgezählt sind. Auf Trinkgeld würde ich bei so sozialneidischen Knickstiebeln nicht spekulieren.

Als Beispiel wunderbarer Erhörung nicht gesprochener Gebete vernahm ich das Freimarkt-Erlebnis eines älteren und eher nachlässig bekleideten Bekannten, der im Bierzelt von einer Gruppe jovialer Großkotze aus der korrekte-Zwirn-Fraktion als armer Schlucker ausgemacht und daraufhin von den Bürschlein mit einem Tablett voller Biere bedacht wurde, die nach der Sammelbestellung irgendwie überzählig waren. Tja, beim potenziellen Vollrausch schaut man dem Kippenberg-Schnösel nicht ins Maul und haut nicht mal auf dasselbe, sondern denkt sich seinen Teil und genießt im Wissen, dass der liebe Gott immer wieder mal auf krummen Zeilen gerade schreibt. Ischa Freimaak, und irgendwie sind wir ja alle Menschenskinder.

Wie ich dem Weserkurier entnehme, hat deren Test-Mahlzeiter Heinz Holtgrefe schlechte Erfahrungen im Grillrestaurant des Textilkaufhauses „Oviesse“ am Brill gemacht – dort also, wo bis vor kurzem noch die original Kaufhalle mit der original Kaufhallengastronomie als eine der menschlichsten Bremer Stätten allseitiger Kommunikation zwischen Ramsch-CD, Elektrokocher, Kittelschürze, und XXL-Schlafanzügen bestand. Wo Verkäuferinnen noch rund und dick, grauhaarig und über 50 Jahre alt sein durften und schon mal an der Kasse mit Kunden und Kolleginnen über Krampfadern, Arbeitsklima und die teuren Kürbisse auf dem Wochenmarkt plaudern konnten. Wo der große Pott Kaffee und das Komplett-Frühstück nicht mal fünf Mark zusammen kostete, man am Imbisstisch im Streichholzknobeln von versierten Profis über denselben gezogen wurde und dann den nächsten Kaffee zahlen mußte. EineInsel für Lebensfreude und Muffeligkeit zugleich und jetzt geschlossen: Die Stadt, die sowas zulässt, darf sich über geschmacksneutrale Bratkartoffeln und fettige Zwiebeln bei den smarteren Nachfolgern nicht wundern, meint jedenfalls Ulrich
„Gartenzwerg“ Reineking