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: Ganz liebevolle Werbung in Grün

„Blaulichtpremiere – Azubi im Streifenwagen“ (Fr., 21.45 Uhr, ARD)

Paradiesische Zustände bei der Polizei: Intaktes Betriebsklima, ein netter junger Auszubildender, der nach Meinung seiner Vorgesetzten nur eine ein wenig zu große Klappe hat, eine nette junge Ausbilderin, die es freut, wenn die Gruppendynamik im Streifenwagen stimmt. Das vermeintlich gravierendste Problem: Wer spült die Kaffeetassen? Lutz G. Wetzel hat mit „Blaulichtpremiere – Azubi im Streifenwagen“ in der Reihe „ARD-exclusiv“ einen berauschend liebevollen Film über den Polizeialltag gedreht: Die Polizei in Nienburg wirkt wie eine große Wohngemeinschaft, die neben ausgiebiger kollegialer Nächstenliebe ein wenig Sozialarbeit im direkten Umfeld betreibt. Sicher ist es – so suggeriert der Film – nicht immer einfach, sich renitenten Bürgern gegenüber durchzusetzen. Und deshalb akzeptiert man es, wenn junge Männer etwas schnoddrig sind – was im kollegialen Miteinander mitunter auch zu kleinen Respektlosigkeiten gegenüber dienstälteren Frauen führen kann. Doch darüber lächelt man bei der Polizei und auch Autor Wetzel goutiert dies locker-leicht ironisierend im Off-Kommentar.

Es ist schon seltsam, so einen Film zu sehen. Insbesondere für Zuschauerinnen, die selbst Gelegenheit hatten, die Ausbildungssituation der Polizei einmal näher ins Visier zu nehmen. In diesem Falle nämlich wirkt die Dokumentation wie ein mit rosaroter Brille betrachtetes Komödienstadel. Wolkenkuckucksheim. Eine PR-Show, die alle realen Probleme konsequent ausblendet – ganz wie bei der im Mai gesendeten „ARD-exclusiv“-Folge über die Sondereinsatzkomandos („Lautlose Spezialisten“).

Fragt sich: Warum, wenn doch alles so nett ist, werden an den Polizeischulen bloß Themen wie Corpsgeist oder Mobbing weiblicher Cops thematisiert? Und warum beklagen fortschrittliche Auszubildende bei der Polizei, über ihre Probleme nicht offen reden zu können, weil ihnen „Geheimnisverrat“ unterstellt werden könnte?

Nun, in Nienburg ist jedenfalls alles gut. Vielleicht aber auch nur, solange das Fernsehen da ist und ein großzügiger Autor alle prekären Fragen zu stellen vermeidet. GITTA DÜPERTHAL