Kleine Geschichte der NGOs

Zählt man zu den Nichtregierungsorganisationen (NGO) alles, was nicht vom Staat ist, kann man deren Anfänge weit in die Geschichte zurückverlegen: Kirchen, Orden, die Zünfte und andere Handels- und Berufsorganisationen gab es lange vor den ersten staatlichen Organisationen. Unter den heute noch bestehenden NGOs gehört etwa das Rote Kreuz – 1863 gegründet – zu den alten Hasen.

An weltweiter Bedeutung gewannen die NGOs im 20. Jahrhundert: Gab es zur Jahrhundertwende 1900 „erst“ zweihundert international agierende NGOs, waren es 1930 schon achthundert, 1960 bereits zweitausend und 1980 dann viertausend Nichtregierungsorganisationen. Hauptthemen waren die Rechte der Frauen, die Lage der Arbeiter, das Verhältnis zur Natur. In Nordamerika forderten schon zu Goldgräberzeiten Mitte des 19. Jahrundert einige Siedler die Schaffung von Nationalparks.

In Deutschland propagierten Jugendgruppen wie die 1901 in Berlin gegründete Wanderbewegung oder etwas später auch die Nudisten ein Leben im Einklang mit der Natur. Auch Abrüstung und Frieden waren Themen, die schon vor dem Zweiten Weltkrieg von NGOs besetzt wurden. So haben bei der Weltabrüstungskonferenz 1932 NGOs ihre Vorstellungen auf Plenarsitzungen einbringen dürfen, schreibt der Politikwissenschaftler Roland Roth in dem Buch „Nichtregierungsorganisationen in der Transformation des Staates“.

Der eigentliche NGO-Boom setzte in den Sechzigerjahren mit einem neuen Typ von NGO ein. Beispielhaft hierfür ist amnesty international, gegründet 1961: aktive Mitgliedschaft auf lokaler Ebene zur Durchsetzung global gültiger Ideen wie der Menschenrechte. In den folgenden Jahren wurde die „Partizipation“ jedes Einzelnen als immer wichtiger empfunden. Bis dahin „unkonventionelle“, weil über Wahl und Lobbying hinausgehende Beteiligungsformen entstanden: Demonstrationen, Blockaden, Teach-ins oder Sit-ins und so weiter. In den Siebzigerjahren entstanden daraus die Bürgerinitiativen und die neuen sozialen Bewegungen, also im Wesentlichen die Umwelt-, Befreiungs- und Frauenbewegung.

Weltweit gibt es, je nach Definition, zwischen 5.000 und 25.000 international agierende Nichtregierungsorganisationen. Die Zahl der NGOs „mit konsultativem Status innerhalb der Vereinten Nationen“ hat sich zwischen 1970 und 1995 verfünffacht, schreibt Roth. NGOs seien „offenbar ein Element der Globalisierung“. Ihr Anwachsen verläuft parallel zur Zunahme weltweit agierender Unternehmen einerseits sowie internationaler Konferenzen andererseits.

NGOs verteilen heute rund ein Fünftel der gesamten Entwicklungshilfe, die die Industrieländer bereitstellen. Das waren im vorigen Jahr 53,1 Milliarden US-Dollar. Laut Roth unterstützen die reichen Länder damit hunderttausend lokale NGOs in den Entwicklungsländern und erreichen hundert Millionen Menschen. Die Partizipation in internationalen NGOs hat in den Entwicklungsländern seit 1960 stärker zugenommen als in den Industrieländern. Dennoch werden die meisten internationalen NGOs von den Mitgliedern aus Europa oder den USA dominiert.

Weiterführende Lektüre: Ulrich Brand, Alex Demirovic, Christoph Görg, Joachim Hirsch: Nichtregierungsorganisationen in der Transformation des Staates, Verlag Westfälisches Dampfboot, Münster 2001, 182 Seiten, 40,10 Mark KK