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■ Campus-Umfrage zu Studiengebühren: Emotionales Thema für Jörg Dräger

„Ich dachte schon, Sie würden mich auf meine Herkunft ansprechen.“ Karim ist heute erstmals nach dem 11. September wieder in der Uni. Der ägyptische Arztsohn, machte an der Deutschen Schule Abitur. „Ich glaube, Sie würden nicht gern in meiner Haut stecken“, sagt er. Egal, ob er einen Brief einwerfe oder in der U-Bahn seine Tasche aufmache, „die Leute gucken mich mit großen Augen an. Nicht aus Hass, sondern aus Angst“.

Glücklicherweise seien seine Kommilitonen so „normal zu mir wie immer“. Von Studiengebühren habe er schon gehört, aber nichts von den konkreten Plänen, bei Überschreiten der Regelstudienzeit um vier Semester Gebühren zu erheben. Karim selbst müsste sich dann sputen: Er ist im 9. Semester und braucht, so der 23-Jährige, „schon noch fünf Semester“.

Er habe nichts dagegen, wenn die Uni „von Außen“ mehr Geld bekäme. „Aber von Firmen, nicht von Studenten.“ Auch müssten die „Gründe differenziert werden“, warum länger studiert würde: „ich müsste eigentlich nicht nebenbei arbeiten, weil meine Eltern mich finanzieren. Ich tue es aber doch, weil die Mieten sehr hoch sind.“

„Ich arbeite, um mir mehr leisten zu können“, gibt BWL-Studentin Sabine zu. Gut die Hälfte ihrer Kommilitonen ist dazu gezwungen. Noch ist die Zweitsemesterin optimistisch, es in der Regelstudienzeit zu schaffen. Dieser Zahn wurde Jura-Studentin Andrea schon bei der Begrüßung der Erstsemester durch den Fachbereich-Dekan gezogen. „Der hat uns erklärt, das man in Hamburg allein drei Semester Wartezeit für das zweite Staatsexamen einplanen muss, weil es zu wenig Referendariate gibt“.

„In der Regelzeit von acht Semestern ist mein Studium nicht zu schaffen“, sagt auch Anglistik-Student Lars. Mit „all den Nebenfächern“, das sei statistisch belegt, brauche man mindestens 12 bis 13 Semester. Der 19-Jährige beginnt sein Studium bereits als Teilzeitstudent. Jeden Nachmittag, dazu hat er sich in einem Volontärs-Vertrag verpflichtet, arbeitet er für eine Zeitung. Eine Chance, die ein Geisteswissenschaftler ergreifen sollte, auch wenn damit der erste Studienverlängerungsgrund unterschrieben ist.

Doch auch die Studienorganisation lässt zu wünschen übrig: „Da liegen wichtige Einführungen, die ich alle belegen muss, parallel, zur selben Zeit am selben Tag“, sagt Journalistik-Studentin Julia. Andere Kurse seien teilnehmerbeschränkt. Sie könne sich als „Erstsemestlerin“ zwar kein Urteil erlauben, „aber ich bin etwas desillusioniert“.

Ganz optimistisch ist dagegen Molekularbiologie-Student Henrick Schomaker. Nicht nur, dass er im nunmehr 7. Semester persönlich „ganz gut in der Zeit“ liege, sondern auch politisch ist er zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Schomaker ist Mitglied der FDP-nahen „Liste unabhängiger Studenten“, kurz „Lust“ genannt, und hat am jüngsten Landesparteitag der FDP teilgenommen, wo der designierte Wissenschaftssenator Jörg Dräger sein Programm vorstellte. „Von Studiengebühren hat Dräger nicht gesprochen. Wir als 'Lust' verstehen das als Zeichen, dass diese nicht in den nächsten Jahren eingeführt werden.“

Jörg Dräger selbst bezeichnet Studiengebühren als „stark emotionales Thema“, und mag es gar nicht, wenn er auf diesen Passus des Koaltionsvertrages angesprochen wird. Er wäre, so Dräger zur taz, bereit, mit Studierenden auch öffentlich darüber zu streiten, „ich würde aber lieber darüber reden, wie man das Studium verbessern kann.“ Kaija Kutter