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■ Bremerhavens SPD kungelt den neuen Sozialdezernenten aus

Bremerhaven steht das Wasser bis zum Hals. Der Seestadt droht ein Haushaltsdefizit in Höhe von 38,3 Millionen Mark. Deshalb hat Kämmerer Burghard Niederquell (CDU) die Reißleine gezogen: Haushaltssperre bis zum Jahresende. Um wenigstens 13,2 Millionen einzusparen, wird nur noch ausgegeben, was Gesetze und Verträge vorschreiben.

Ein guter Zeitpunkt für Sparvorschläge, dachten sich die Grünen und schlugen vor, die Stelle des Sozialdezernenten einzusparen. Amtsinhaber Hartmut Christiansen war im Sommer überraschend gestorben. Nun wollten die Grünen seine Aufgaben unter den übrigen vier hauptamtlichen Ratsmitgliedern aufteilen. Das würde immerhin schon mal rund 200.000 Mark Gehalt im Jahr sparen – plus Nebenkosten. Angesichts des Defizits zwar kein Lösungsansatz, aber immerhin ein Anfang – und ein gutes Beispiel.

Aber gegen die große Koalition war das nicht durchzusetzen. „Man muss auch mal bedenken, dass wir 1995 schon einen Hauptamtlichen eingespart haben“, erklärt CDU-Fraktionschef Paul Bödeker. Außerdem werde bei den Amtsleitern gespart: Immer wenn ein Amtsleiter gehe, machten seine Arbeit zwei Bereichsleiter mit.

Auch der Koalitionspartner SPD hat wenig Grund, für die Einsparung der Dezernentenstelle einzutreten: Die Sozialdemokraten haben laut Koalitionsarithmetik das „Vorschlagsrecht“, können den Posten also nach Gutdünken besetzen. Und genau das wollen sie nun tun. Drei altgediente Bremerhavener Genossen gelten als aussichtsreiche Bewerber für den lukrativen Posten. Damit nichts schief geht, wurde die Stellenausschreibung so allgemein wie möglich gehalten: Die Stadt sucht eine „dynamische und verantwortungsvolle Persönlichkeit“, so die Ausschreibung, mit „organisatorischen“ und „innovativen“ Fähigkeiten. Wer könnte sich da nicht bewerben?

Die Grünen hätten es gern etwas präziser. Ein „abgeschlossenes, für das Aufgabengebiet relevantes Hochschulstudium“ sieht ihr alternativer Ausschreibungsentwurf vor, dazu Erfahrung in der öffentlichen Verwaltung oder im Managementbereich. CDU-Bödeker verweist in puncto Ausschreibungstext auf den Koalitionspartner: „Die SPD wollte das so.“ Aber er freut sich schon auf die Stadtverordnetenversammlung am 1. November, wenn die Grünen rechtfertigen müssten, dass sie die Politik akademisieren wollen. „Dann hätten manche hier nicht Bürgermeister werden können, und das waren nicht die Schlechtesten.“ Aber dazu wird es nicht kommen. Der Grünen-Antrag flog von der Tagesordnung. „Dafür braucht man ein Drittel der Stimmen im Ausschuss“, sagt Stadtverordnetenvorsteher Artur Beneken.

Ein As haben die Grünen noch im Ärmel: Der Ausschuss hatte eine Kleinigkeit aus dem Grünen-Vorschlag akzeptiert, nämlich dass der Bewerber bereit sein müsse, seinen Wohnsitz in Bremerhaven zu nehmen. Just dieser Passus fehlt aber in den bereits geschalteten Anzeigen. „Damit ist das Ausschreibungsverfahren rechtlich angreifbar“, droht der grüne Stadtverordnete Peter Pletz, im Hauptberuf Rechtsanwalt.

SPD-Fraktionschef Klaus Rosche versteht die ganze Aufregung nicht. Eine Ausschreibung ohne formale Qualifikationen sei nichts außergewöhnliches. „In so einer Behörde gibt es genug Beamte mit hohem fachlichen Wissen, da braucht man keinen Vorturner mit noch größerem Fachwissen“, sagt einer, der es wissen sollte: Rosche hat sich selbst beworben.

Jan Kahlcke