Massiver Druck zur Ausreise

Kosovo-Flüchtlinge sollen „freiwillig“ zurückkehren. Das klingt nett. Die Wirklichkeit sieht anders aus: Wer bleibt, bekommt von den Behörden einfach kein Geld mehr

BERLIN taz ■ „Ich weiß nicht, was ich noch machen soll.“ Agim Duraki (31) ist verzweifelt, wie seine sechs Jahre jüngere Frau Vjollca auch. Seit elf Jahren lebt das albanische Ehepaar aus dem Kosovo nun schon in Berlin – aber jetzt macht das für sie zuständige Sozialamt im Bezirk Reinickendorf massiv Druck, damit die Durakis mit ihren vier Kindern „freiwillig“ nach Gjakove im Kosovo zurückkehren.

Agim Duraki wurde im Sommer von der Behörde zu einer so genannten Rückkehrerberatung geladen. Es war eine Veranstaltung, die den Kosovo-Albaner nur ratlos machte. Das Haus der Eltern wurde im Krieg zerstört, was der Mutter, der Schwester und einem Bruder in der Heimatstadt widerfahren ist, das weiß er nicht. Ihr Schicksal ist so ungeklärt wie das von rund 4.000 weiteren Menschen, die in Gjakove in den vergangenen zehn Jahren verschwanden oder verschleppt wurden. Wohin solle er denn zurückgehen, fragte Duraki die Beamten. Und er sagte auch, dass er mit der angebotenen Rückkehrprämie von bis zu 6.000 Mark für seine Familie im Kosovo keine Existenz aufbauen könne. Doch die Mitarbeiter im Sozialamt sahen das anders. Es gebe keine Gründe, die gegen eine Rückkehr sprächen – Ende September stellte das Sozialamt die Familie vor die Alternative: Entweder freiwillige Ausreise bis zum 8. Oktober oder Streichung sämtlicher Leistungen, das heißt: Die Wohnung wird nicht bezahlt, es gibt keine Einkaufsgutscheine und auch kein weiteres Taschengeld.

Der Fall ist zwischenzeitlich eingetreten. Die Durakis erhalten seit der zweiten Oktoberwoche keine Leistungen mehr. Und das, obwohl sie vom Ausländeramt eine offizielle Duldung erhalten haben. Eine groteske Situation: Agim Duraki, der wegen der Duldung nicht arbeiten darf, wurden die zum Leben notwendigen Zuwendungen einfach gestrichen. Wie ernst die Aufforderung zur „freiwilligen Rückkehr“ gemeint ist, erlebte die Ehefrau Vjollca. Vergebens bettelte sie mehrfach beim Sozialamt um einen Krankenschein für ihre Kinder. Vier davon haben die Durakis, alle sind sie in Deutschland geboren, das Jüngste, Fjolla, am dritten Juni in diesem Jahr.

Auch wenn sich die Durakis schon seit elf Jahren in der Bundesrepublik aufhalten, eine deutsche Staatsbürgerschaft für die Kinder – zwei von ihnen gehen in Berlin zur Schule – gibt es nicht. Weil Agim Durakis die ersten Jahre nach seiner Flucht vor der Einberufung zur serbischen Armee in Deutschland erst „geduldet“ wurde und dann bis zum Sommer diesen Jahres bis zur rechtskräftigen Ablehnung als Asylbewerber galt, fällt die Familie nicht unter die Altfallregelung, die ihr ein Bleiberecht geben würde. Der aufenthaltsrechtliche Status ist es auch, warum es für die Kinder keine deutschen Pässe gibt.

Von einer „Abschiebung auf dem kalten Weg“ spricht Eckart Wähner, der als Rechtsanwalt für die Durakis vor dem Berliner Verwaltungsgericht gegen die Leistungskürzung des Sozialamtes klagt. Der Fall der Familie sei wegen der Streichung der Hilfen besonders krass, aber der auf die Bürgerkriegsflüchtlinge ausgeübte Druck zur Rückkehr in das Kosovo sei leider kein Einzelfall. Er beobachtet seit längeren, dass sich die Sozialämter „ausländerrechtliche Kompetenzen“ anmaßen, wenn sie als Sozialbehörde über die individuellen Rückkehrmöglichkeiten urteilen.

Auch in Brandenburg bleiben die Behörden hart. Am Donnerstagabend wurde bekannt, dass die zunächst in Guben (Spree-Neiße) geduldete Familie Bunjaku aus dem Kosovo nach Weisung des Innenministeriums nun doch in die Heimat abgeschoben wird. Mehr als 1.000 Bürger hatten sich für den Verbleib der Familie in Deutschland eingesetzt. Es scheint nichts genützt zu haben. WOLFGANG GAST