Kwiss als Kuschelpädagogik

„Bildungsfernsehen für Millionen“, „hirnfressende Gier“ oder „Trojanisches Pferd“ bildungsferner Unterhaltung? In Marl trafen sich auf Einladung des Grimme-Instituts Macher, Moderatoren und Kritiker zum großen Talk über Sinn und Zweck der Quizshow

von ARNO FRANK

Seit selbst Professoren mitspielen und den Hauptgewinn einstreichen, anstatt dem Phänomen des Quiz mit Abhandlungen beizukommen, wird über die wahren Millionenfragen spekuliert: Worin liegt der Reiz der Sendungen von „Quizshow“ (Sat.1) bis „Newsquiz“ (n-tv)? Warum macht das Format gerade jetzt Karriere? Ist es am Ende „Bildungsfernsehen für Millonen“?

Unter dieser Dachfrage lud das Grimme-Institut zur Tagung nach Marl. Dort meldete sich zunächst Günther Jauch mit einer Videobotschaft aus der Kulisse von „Wer wird Millionär?“ – und blieb fortan an messianischer Schirmherr und notorischer Richtigmacher allgegenwärtig, obwohl er sich um die Beantwortung der Frage drückte.

Aufschluss gab da schon eher David Briggs, der als einer der Väter des britischen „Who wants to be a millionaire?“ gilt und dem das Konzept in einer schlaflosen Nacht zugeflogen sein soll: Rasch auf zwei DIN-A4-Seiten gekritzelt, wurde die Idee zum Exportschlager für seine Produktionsfirma Celador. In 75 Ländern wird inzwischen geraten, und in all diesen Ländern richtet man sich nach der Celador-„Bibel“. Hier ist alles festgelegt, vom Anzug des Moderators über die Ausstattung der Kulisse bis zum Sound. „Unser Quiz ist ein weltweiter Markenartikel wie Coca-Cola“, sagte Briggs. Entscheidender Erfolgsfaktor für den 52-jährigen Briten ist, „dass wir Menschen dabei zuschauen können, wie sie Entscheidungen treffen, die ihr Leben verändern“. Die Frage, ob es dafür Wissen braucht, beantwortete Briggs mit angelsächsischem Pragmatismus: „To know a little about a lot“, darauf käme es an.

Enzyklopädisches Wissen mit Mut zur Lücke also, Adornos „quietschender Aktenschrank des Positivismus“? „Alles Kuschelpädagogik“, hält Jörg Pilawa von der gleichnamigen ARD-Quizshow dagegen und verweist auf die „Langsamkeit als Spielprinzip“, die genügend Raum für die Identifikation mit den Kandidaten lasse.

Welches Format warum erfolgreich ist, das konnten oder wollten auch die versammelten Strategen von RTL, ARD und ZDF nicht klären. Stattdessen gab’s kurze Einblicke in die Denk- und Planungsschmieden der Herrschaften. Laut RTL-Unterhaltungschef Matthias Alberti prüft der Sender gerade ein Konzept, im dem der Puls des Kandidaten abgehört, verstärkt und als dramaturgisches Element eingesetzt werden soll. Das ZDF legt dafür lieber den Klassiker „Der Große Preis“ auf, auch wenn der Unterhaltungschef Manfred Teubner den Moderator nicht preisgeben wollte. Inzwischen ist der 28-jährige Marco Schreyl („Hallo Deutschland“) im Gespräch.

Für den professionell pfiffigen Ranga Yogeshwar ist „Bildung ist nur das Trojanische Pferd, mit dem Unterhaltung ins Fernsehen kommt“. Richtig wären immer nur a, b, c oder d, Buchstaben, „leere Hülsen“, nicht die eigentliche Lösung, die sich dahinter verberge – geschweige denn das Wissen um Zusammenhänge. Logisch: Auch Yogeshwar plant ein Quiz, in dem „man mit Spaß etwas lernen kann“.

Frank Lehmann, der nette Börsenonkel der ARD, zog Parallelen zwischen Quiz- und Börsenboom: „Die Frage war ja damals: Wer wird nicht Millionär?“. Für Quiz wie Börse gelte „Gier frisst Hirn“, so Lehmann. „Glück, Liebe, Gesundheit, alles Quatsch: Es geht ums Geld“. Millionengewinner Prof. Freise betonte denn auch die Existenz „unterschiedlicher Bildungen. Ein Automechaniker wie Zlatko muss nicht wissen, wer Shakespeare ist.“

Der schönste Satz der Tagung aber blieb dem Medienmetaphoriker Reinhard Kahl vorbehalten: „Das Quiz ist der Feldgottesdienst vor dem globalen Börsengang der Ich AG.“

„Professor Karasek“ übrigens, wie er von Günter Jauch stets angesprochen wird, scheiterte am Sonntag in der „10-Millionen-SKL-Show“ an der Frage, wie man Menschen nennt, die schlecht in die Ferne sehen können. „Weitsichtig“, war Karaseks spontane wie kurzsichtige Antwort.