Wiedervorlage in fünf Jahren

Die neuen Gesetze sollen nach einer bestimmten Frist überprüft und dann – je nach Sicherheitslage – auch wieder abgeschafft werden

„Die neuen Dateien dienen auch zur Fahndung“, meinen Bürgerrechtler

aus Berlin ULRIKE WINKELMANN

Zäh und entschlossen, aber solidarisch. Konstruktiv, aber unerbittlich in der Sache, so wurde ein tragfähiges Ergebnis erzielt . . . Mit dem gesamten Wortschatz des Verhandlungswesens erklärten Grünen-Parteichefin Claudia Roth, der grüne Rechtsexperte Volker Beck und die grüne Fraktionschefin Kerstin Müller gestern die Ergebnisse der grün-roten Verhandlungen über das „Sicherheitspaket II“ zu einem „Erfolg für die Grundrechte“. Und zu einem Erfolg für sich. Das Ergebnis der 30-stündigen Verhandlungen mit Bundesinnenminister Otto Schily „entspricht dem, was die grüne Partei sich vorstellt“, so Roth.

Wichtige Punkte des Vorschlagspakets aus dem Bundesinnenministerium sind demnach tatächlich vom Tisch. „Vom Initiativermittlungsrecht des Bundeskriminalamts ist nichts übrig“, versicherte Beck. Es bleibe so eine bloße Datensammelstelle, abgeschafft worden sei bei dieser Datensammlung lediglich der „rein bürokratische“ Umweg über die Landesbehörden.

Als biometrisches Merkmal, das noch in ein neues Passgesetz hineingeschrieben wird, komme nunmehr nicht mehr der Fingerabdruck, sondern ein anderes Merkmal in Frage. Hier, erklärte Beck, sei der Abgleich mit den anderen EU-Staaten erforderlich. Insofern sei das geplante Gesetz vor allem als Appell an die EU formuliert, sich auf einen gemeinsamen Nenner zu einigen.

Volker Beck: „Es macht keinen Sinn, wenn die Franzosen Geräte zum Fingerabdrucklesen hinstellen und bei uns aber Geräte zur Vermessung ganz anderer Merkmale bereitstehen.“ Grüne Position sei, so Beck, die Handgeometrie zu verwenden, „sofern dies technisch möglich ist“.

Der entscheidende Unterschied zum Fingerabdruck ist, dass Täter an ihren Tatorten in aller Regel keine Handabdrücke hinterlassen. Während also eine zentrale Fingerabdruckdatei von Ermittlungsbehörden zu Fahndungzwecken ge- bzw. missbraucht werden könnte und dabei ein Verdacht auf alle fiele, die am Tatort je einen Fingerabdruck hinterlassen haben, kann eine zentrale Datei mit den Handgeometrien nur dem gesetzlich erklärten Zweck der Identifizierung von Ausweis und Person dienen.

Im Ausländerrecht dürfen Einreise und Aufenthalt nicht allein durch den Verdacht, dass jemand einer terroristischen Vereinigung angehört, beschränkt bzw. beendet werden. Die Auskunft, welcher Religion jemand angehört, soll nur freiwillig erfolgen. Welchen Nutzen diese Angabe dann noch hat, konnten die Grünen gestern allerdings auch nicht beantworten. Fraktionschefin Müller wies darauf hin, dass in den USA an dieser Stelle auch gerne „Jediritter“ oder Ähnliches angegeben werde.

Gespeichert werden in Zukunft auch die Gründe einer Visumserteilung oder -verweigerung. Dies sei nötig gewesen, sagte Müller, „weil einer der Täter vom 11. September dreimal mit drei verschiedenen Visa und drei verschiedenen Identitäten eingereist ist – das darf nicht mehr vorkommen“.

Die Gesetze, die die Kompetenzen der Geheimdienste, des Bundesgrenzschutzes und des Verfassungsschutzes betreffen, sollen, so ein weiteres Verhandlungsergebnis, auf fünf Jahre beschränkt werden. „Wenn wir also in fünf Jahren eine andere Sicherheitslage haben als heute“, erklärte Kerstin Müller gestern, „werden diese Gesetze auch wieder abgeschafft.“

Bürgerrechtsorganisationen waren gestern nicht so begeistert wie die Grünen. Wolfgang Kaleck vom Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein sagte zur taz: „Ich kann mich nicht darüber freuen, dass eine schlechte Regelung für fünf Jahre eingeführt wird.“ Im Übrigen würden durch den Aufbau von neuen Dateien und durch die Fortentwicklung aller technischen Möglichkeiten auch „Fakten geschaffen, die man nach fünf Jahren nicht einfach rückgängig machen kann“. Dass solche Maßnahmen, die vor dem Bundesverfassungsgericht ohnehin gescheitert wären, vom Innenminister nicht durchgesetzt wurden, sei kein Sieg, sondern eine Selbstverständlichkeit.

Die grundsätzliche Vermutung der Bürgerrechtler, dass der Neuaufbau von Dateien und deren Abgleich zwischen den Behörden nicht nur zur verbesserten Identifizierung, sondern auch zur Fahndung dienen soll, bleibe bestehen, so Kaleck. „Das Ziel, einen gläsernen Ausländer inklusive gläsernen Umfelds zuschaffen, wird beibehalten. Die hierzu geplanten Maßnahmen verstoßen weiterhin gegen das Gebot der Zweckbestimmung von Daten.“