Dünyanin en güzel yerini sevmek

Die Liebe zum schönsten Ort der Welt oder: Warum die alten Römer pragmatischer waren, als es Deutsche heute sind

Diese Frage ist vielleicht ziemlich deutsch. Heimat braucht einerseits nicht Schlimmeres zu bedeuten als gute Weine und Käsesorten und kann andererseits zu einem ideologischen Popanz oder handfesten Wahnideen aufgebläht werden. Heimat meint dann so etwas wie eine sowohl existenziell unverzichtbare als auch unveränderliche Gegebenheit des Daseins.

Diese Art von Heimat zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass sie einem von außen zugeschrieben wird. Besucht man als türkischer Deutscher die Türkei, fährt man in den Augen vieler deutscher Deutscher unabänderlich in die „Heimat“. Oder sollte sich überhaupt dorthin zurückscheren. Bei vielen Türken (deutschen wie nicht deutschen) steht man ebenfalls in einer unauflöslichen Zwangsidentifizierung mit dem türkischen „Mutterland“. Und in der vermeintlichen Heimat, was ist frau/man dort? „Alamanci“ für die einen (Deutschländer, nicht die Würstchen wohlgemerkt), heimatlos für die anderen.

Ich reise oft in die Türkei, die für mich durchaus kein Land wie jedes andere ist. Abgesehen davon, dass mir Klima und Menschen dort sehr zusagen, verstehe und spreche ich die Sprache und bin mit diesem Land über meine Eltern und meine Familie verbunden. An seiner Entwicklung nehme ich mehr Anteil als an anderen Ländern. Aber ich habe sowohl Deutsch als auch Türkisch in Deutschland gelernt; hier bin ich aufgewachsen, hier habe ich meine Freunde, hier habe ich fast alle guten und schlechten Erfahrungen meines bisherigen Lebens gemacht. Nicht bloß schlechthin in Deutschland, sondern in Berlin beziehungsweise in Kreuzberg.

Heimat gehört zu dem, was einem Sicherheit gibt, tatsächlich oder vermeintlich. Das wird zwar meistens außen verortet, aber ist letztlich ein innerer Zustand, sind Bilder und Vorstellungen, die man mit sich trägt.

Heimat ist kein Naturzustand, sondern etwas Gemachtes. Die alten Römer waren da äußerst pragmatisch. Ubi bene, ibi patria – wo’s mir gut geht, da ist meine Heimat. Wo eine Stadt nach römischem Standard funktionierte und nach römischem Recht verwaltet wurde und wo feste Straßen diese Stadt mit anderen römischen Städten verbanden, war Heimat. Das konnte in Nordafrika sein, am Rhein oder in Anatolien. Heimat war Lebensweise und Gewohnheit, die überall universale Gültigkeit beanspruchte. Man kann in Berlin so gut leben wie in Istanbul, Köln oder San Francisco, den nötigen wirtschaftlichen Rückhalt vorausgesetzt. Das hat sich seit römischen Zeiten nicht geändert.

Zur Heimat gehört auch, dass man dort, wo man sich wohl fühlt und zu Hause ist, akzeptiert wird. Diese Akzeptanz lässt noch zu wünschen übrig. Auch nach 40 Jahren fühlen sich Ayșe oder Hasan in Deutschland immer noch vielerorts nicht zu Hause. Warum das so ist, ist eine Frage für die Mehrheits- wie Minderheitengesellschaft insgesamt, besonders aber für die Politik.

Je mehr ich mich allerdings dafür einsetze, dass es da, wo ich lebe, möglichst allen gut geht, desto mehr mache ich diesen Ort zu meiner Heimat. Kürzlich habe ich einen wunderbaren Film gesehen, dort hieß es: „Wenn du diesen Ort liebst, dann ist er der schönste Ort der Welt. Aber wenn du den schönsten Ort der Welt nicht liebst, dann ist er nicht der schönste Ort der Welt.“ Ich liebe Kreuzberg und mir geht es gut hier! ÖZCAN MUTLU

Özcan Mutlu (33), lebt seit 1973 in Kreuzberg und ist Abgeordneter der Grünen in Berlin