Wahlen ohne Wahl

Bei Singapurs Parlamentswahlen hat die winzige Opposition mal wieder nicht den Hauch einer Chance

PEKING taz ■ In seinen Memoiren schreibt Singapurs Staatsgründer Lee Kuan Yew, dass er am liebsten nach dem Vorbild des Vatikan regiert hätte. Denn die Katholiken hätten eine stabile Regierung, die sich um eine zentrale, von höheren Einsichten geleitete Persönlichkeit gruppiert und die von der Opposition nie ernsthaft bedroht werden könne. Lees Vision wurde wahr: Seit 42 Jahren regiert seine People’s Action Party Südostasiens Stadtstaat Singapur. Sie wird es auch weiter tun. Denn schon vor den Parlamentswahlen am Samstag steht fest, dass Premierminister Goh Chok Tong im Amt bleiben wird, weil die winzige Opposition wieder nicht genügend Kandidaten zusammenbekam.

Die Regierung hatte nachgeholfen, indem sie den Wahltermin plötzlich um zehn Monate vorzog. Mehrere bekannte Regierungskritiker können nicht kandidieren: Der Veteran Joshua Jeyaretnam ist pleite, nachdem er zu Schadenersatz in Millionenhöhe an Mitglieder der Regierungspartei verurteilt worden war, die er angeblich verleumdet hatte. Der kritische Soziologe James Gomez wurde disqualifiziert, weil er die Wahlunterlagen nicht richtig ausgefüllt habe, wie es hieß.

Bleibt Ex-Dozent Chee Soon Juan von der winzigen Demokratischen Partei, der schon einmal wegen Flugblattverteilens im Gefängnis saß. Doch seine Chancen stehen schlecht: Denn wie schon früher erklärten die Behörden, sie würden vorrangig Wohnbezirke loyaler Wähler mit öffentlichen Geldern renovieren. Häuserblocks von Oppositionsanhängern dagegen würden nicht saniert. Da 90 Prozent der Bevölkerung in eigenen Eigentumswohnungen wohnt, wirkt der angedrohte Wertverlust.

Der Sieg der Regierungspartei stand auch bei früheren Wahlen fest. Ihr Erfolgsrezept: eine stark eingeschüchterte Opposition, wirtschaftliche Erfolge, effiziente Verwaltung und nur geringe Korruption. Nie kamen mehr als eine Handvoll Oppositioneller ins Parlament. Jetzt steckt die Wirtschaft zwar in einer schweren Rezession, doch ironischerweise neigt die Bevölkerung gerade in schweren Zeiten dazu, die Regierung zu unterstützen.

Geht es nach dem Willen des Staatsgründers Lee, übernimmt sein Sohn spätestens 2007 die Macht. Vater Lee zieht seit 1990 als „Senior Minister“ immer noch die Fäden. Premier Goh kam mit seinem Segen ins Amt und wird wohl ebenso loyal abtreten. Lästerzungen nennen die Regierung daher die „Dreifaltigkeit: Vater, Sohn und Heiliger Goh“. JUTTA LIETSCH