Israel beginnt Abzug

Die Armee zieht sich aus Bethlehem zurück. Die Palästinenser versprechen, für Ruhe zu sorgen. USA-Reise von Scharon unsicher

JERUSALEM taz ■ Wenige Stunden nachdem sich die israelische Armee in der Nacht zum Montag aus dem seit gut einer Woche besetzten Gebiet in Bethlehem und dem benachbarten Beit Dschalla zurückgezogen hat, übernahmen dort Beamte des palästinensischen Sicherheitsdienstes die Kontrolle. In einem Gespräch mit der „Stimme Palästinas“ bekräftigte Palästinenserpräsident Jassir Arafat „trotz der israelischen Eskalation gegen das palästinensische Volk, Städte und Dörfer“ seine Verpflichtung zum Friedensprozess.

Arafat erklärte zudem vor Journalisten in Gaza, dass „der Hadera-Angriff verfolgt wird“. Er wolle das Notwendige unternehmen, um die Täter zur Verantwortung zu ziehen. Bei einem Anschlag am Vortag waren in der nordisraelischen Stadt Hadera vier Menschen erschossen worden, über 40 wurden verwundet. Bei Dschenin, wo man die Täter des Überfalls vermutet, stationierte die israelische Armee ein Sonderaufgebot von Soldaten. Nach Berichten der Tageszeitung Haaretz entschied das Sicherheitskabinett über einen Vergeltungsschlag für das Attentat.

Der Truppenabzug aus Bethlehem und Beith Dschalla kam mit über 24 Stunden Verspätung. In letzter Minute stoppte Israels Ministerpräsident Ariel Scharon den bereits für Samstag abend geplanten Rückzug, da es im Verlauf des Wochenendes erneut zu einem Beschuss der neben Beit Dschalla liegenden jüdischen Siedlung Gilo und anschließenden heftigen Gefechten gekommen war.

Der Abzug fand schließlich auf Druck von Außenminister Schimon Peres und Verteidigungsminister Benjamin Ben-Eliesar (beide Arbeitspartei) statt. Im israelischen Hörfunk stellte Ben-Eliesar weitere Rückzugsaktionen in Aussicht. Israel strebt ein stufenweises Vorgehen an, bei dem die Truppen nacheinander aus den Regionen von sechs weiteren palästinensischen Städten abgezogen werden sollen. Bedingung wäre, dass es in den jeweils bereits verlassenen Regionen ruhig bleibt. Hohe Sicherheitsvertreter beider Seiten kamen am Abend erneut zu Beratungen über das weitere Vorgehen zusammen.

Allein in der Region Bethlehem sind im Verlauf der jüngsten Besatzung 22 Palästinenser getötet worden. Rund einhundert Häuser sollen demoliert worden sein. Nach palästinensischen Schätzungen liegt der entstandene Schaden bei 17 Millionen Dollar. Die Ost-Jerusalemer Tageszeitung Al-Quds machte die israelische Besatzung für „die Spannung und das fortgesetzte Blutvergießen beider Völker“ verantwortlich. Der Leitartikel ruft zu einer „internationalen Initiative auf“, um die „letzte Besatzung in der Welt“ zu beenden.

Angesichts der angespannten Situation erwägt Scharon, seine für übernächste Woche geplante Reise in die USA zu verschieben. Die Regierung in Washington erwartet neue Friedensvorschläge von Israel. Für kommenden Donnerstag kündigte der britische Premierminister Tony Blair seinen Besuch in Jerusalem an.

SUSANNE KNAUL