„Der Letzte, der übrig bleibt . . .“

Stelios Haji-Ioannou, Chef und Gründer der britischen Billig-Airline Easyjet, will die Gesundung der europäischen Luftfahrt den Marktkräften überlassen

Interview ANDREAS LAUTZ

taz: Während andere Fluglinien mit der Krise kämpfen, verkündet Easyjet höhere Gewinne und steigende Passagierzahlen. Wie ist das möglich?

Stelios Haji-Ioannou: Sämtliche Unternehmen reduzieren derzeit massiv ihre Budgets für Flüge ihrer Mitarbeiter. Ich mache das Gleiche in meiner Firma, um die Kosten zu senken. Getroffen werden davon aber vor allem die Linien, die stark auf Geschäftsleute und Einnahmen aus Business-Class-Tickets setzen. Billigflieger wie Easyjet profitieren dagegen. Wer Geld sparen will, fliegt nicht mit British Airways, sondern mit uns. Wir nutzen die Krise der Großen, unsere Marktanteile zu erhöhen.

Während andere kürzen, wächst Easyjet also weiter?

Richtig. Gerade erst haben wir ein neues Flugzeug erhalten. Bis kommenden Herbst werden weitere neun hinzukommen.

Alte Maschinen, die andere ausrangieren, oder neue Fabrikate?

Alles brandneue Boeings 737. Boeing ist derzeit sehr erpicht darauf, Geschäfte zu machen. Neue Flugzeuge sind derzeit sehr günstig zu haben.

Bei Ihnen stehen also keine Entlassungen an?

Im Gegenteil, wir stellen sogar neue Leute ein. Aber ich bin sicher, dass andere Fluggesellschaften weitere Stellen abbauen werden.

Sind daran allein die Anschläge vom 11. September schuld?

Nein. Es kommen zwei Faktoren zusammen. Der eine sind die Terroranschläge. Sie haben vor allem die amerikanischen Airlines getroffen, die ihre Flüge zeitweise komplett einstellen mussten, waren aber für den gesamten interkontinentalen Flugverkehr sehr schmerzhaft. Für die Anbieter von Flügen innerhalb Europas spielen die Anschläge dagegen fast keine Rolle. Der zweite, viel wichtigere Faktor ist die schwache Wirtschaftsentwicklung. Sie machte uns schon lange vor September Sorgen. Die Rezession trifft alle. Auch die, die beispielsweise Flüge zwischen Berlin und München anbieten.

Und deshalb ist es notwendig, dass die nationalen Regierungen Geld lockermachen und Hilfspakete schnüren?

Ich halte davon gar nichts. Mit diesen Hilfen verletzen die Regierungen die europäischen Regeln zum Schutz des freien Wettbewerbs. Es geht ja nicht nur um Swissair oder Sabena in Belgien. Überall, wo wir zurzeit hinschauen – etwa nach Irland, nach Portugal, nach Frankreich –, wiederholen die Regierungen die alten Fehler und werfen Steuergelder zum Fenster hinaus. Diese Hilfspakete bedeuten nämlich nicht, dass die Unternehmen profitabel werden, sondern lediglich, dass sich ihr Bankrott hinausschiebt. Diese Subventionen machen alles kaputt, wofür wir die ganzen letzten Jahre in der Flugbranche gearbeitet haben. Gibt es in einer Branche Überkapazitäten, dann muss eben rationalisiert werden. Wie heißt das so schön: Der Letzte, der übrig bleibt, macht das Geschäft. Das ist überall so – nur nicht bei den Fluglinien.

Was ist an der Flugbranche so besonders?

Flugzeuge regen die Fantasie der Menschen an. Auch Nationalstolz spielt eine große Rolle, vielleicht wegen der Flaggen auf den Fliegern. Fluggesellschaften sind viel mehr als einfach nur ein Geschäft, sie sind so etwas wie Ikonen.

Das dürfte auch auf Swissair zutreffen . . .

Ein faszinierendes Beispiel. Alle Schweizer Großkonzerne – von Nestlé bis Novartis – plus fünfzehn Schweizer Milliardäre pumpen Geld in dieses unprofitable Unternehmen. Ein einzigartiger Vorgang! In einem anderen Land und in einer anderen Branche wäre das undenkbar. Nehmen Sie das Beispiel des Telekommunikationsausrüsters Marconi, einer Ikone der britischen Wirtschaft. Ginge Marconi Pleite, würde niemand auf die Idee kommen, einzuspringen. Das, was gegenwärtig in der Schweiz passiert, ist bizarr.

Die EU will die großen Airlines auch stützen, indem sie ihnen über den Winter ihre Start-und-Lande-Rechte auf den Flughäfen garantieren. Normalerweise verfallen diese Rechte, wenn sie nicht genutzt werden.

Das wäre die schlimmste Form von Protektionismus. Es ist einfach lächerlich, anderen diese Rechte vorzuenthalten, weil es sich, sagen wir, British Airways derzeit nicht leisten kann, sie zu bedienen.

Aber dass die EU-Regierungen für die Fluglinien die Risiken durch Terror und Krieg übernehmen, ist richtig?

Ja. Keine Versicherung ist derzeit bereit, diese Risiken zu decken. Zu Recht, denn die Angriffe in den USA waren ein Angriff auf den Staat. Das ist etwas anderes, als wenn ein Flugzeug wegen eines Pilotenfehlers verloren geht.

Bislang sind diese Garantien zumindest in der EU aber nur auf zwei Monate begrenzt.

Sie werden verlängert werden. Einen anderen Weg gibt es nicht. Wie jede andere Airline fliegen auch wir im Moment nur, weil die Regierungen in die Bresche gesprungen sind.