Ohr bleibt offen

US-Lauschposten in Bad Aibling wird entgegen der Planung nicht geschlossen. Schuld ist der Krieg

BERLIN taz ■ „Big ear“, das große Ohr, wird nun doch nicht abgestellt. Die sagenumwobene Abhörstation der USA in Bad Aibling, rund 45 Kilometer südöstlich von München gelegen, sollte ursprünglich im September des kommenden Jahres dichtgemacht werden – jetzt wird weiter gelauscht, der Krieg ist schuld. Kenneth McClellan, Sprecher im US-Verteidigungsministerium bestätigte jetzt erstmals offiziell, dass der Horchposten entgegen der bisherigen Planung nun bis zum 30. September 2004 weiter in Betrieb bleiben soll. Kurios ist allerdings die Begründung. In Bad Aibling wird so ziemlich alles, was es an elektronischer Strahlung im Äther aufzufangen gibt, empfangen, gefiltert und ausgewertet. McClellan glaubt daher, dass die Station im jetzt ausgerufenen Krieg gegen den Terror natürlich weiterhin gute Dienste leisten kann. Das ist aber nur der Nebenaspekt. Die Basis wird vor allem deshalb nicht geschlossen, weil es den Streitkräften der USA an Transportkapazitäten zum Wegschaffen ihres Lauscharsenals in die Vereinigten Staaten fehlt – denn die in Deutschland stationierten Militärflugzeuge sind mit Versorgungsleistungen bei den Kampfeinsätzen in Afghanistan und mit dem täglichen Abwurf von Nahrungsmittelpakete über dem Hindukusch ausgelastet.

Die Entscheidung, den Lauschposten zu schließen, war ursprünglich mit dem lapidaren Satz „Neuordnung der US-Streitkräfte“ begründet worden. Was genau die mehr als 1.000 Schlapphüte der „718 Military Intelligence Brigade“ in der Gemeinde Mietraching getrieben haben und die verbleibenden 40 Monate noch treiben werden, ist eines der bestgehüteten Geheimnisse der Amerikaner. Bad Aibling, so viel steht fest, ist Teil eines weltweiten und von den USA angeführten Abhörsystem namens „Echelon“. Bis zur Wende richteten sich die Parabolantennen gegen den Ostblock. Die Aufklärung war so gut, „dass wir in der Ukraine ihre Zähne klappern hörten“, erinnert sich stolz ein Geheimdienstveteran. Heute interessieren wohl eher die Gebete der Taliban. WOLFGANG GAST