Pragmatisch in die Politik

Studentin, Freundin, Volksvertreterin: Mit 23 ist Ramona Pop (Grüne) im neuen Abgeordnetenhaus die Jüngste. Seit vier Jahren macht sie Politik und ist bei Renate Künast in die Lehre gegangen

von MICHAEL DRAEKE

„Ich bin immer politisch denkend und vor allem politisch motzend gewesen“, sagt Ramona Pop mit fester Stimme. Die 23-Jährige mit den kurzen schwarzen Haaren und dem Nasenpiercing grinst. Sie ist eine pragmatische Frau, beim Motzen konnte es nicht bleiben.

Jetzt sitzt sie in einer Kneipe am Hackeschen Markt, nippt an ihrem Getreidekaffee und berichtet fast nebensächlich von ihrer bisherigen politischen Karriere. Man kann sie durchaus als rasant bezeichnen.

Die Politikstudentin ist die jüngste Abgeordnete im neuen Landesparlament. Dort will sie sich um die Themen Arbeitsmarkt, Integration und Wissenschaft kümmern, die Themenschwerpunkte sind in der Fraktion noch nicht vergeben. Nebenbei soll das Politologie-Diplom fertig werden.

Richtig eingestiegen in die Politik ist sie nach dem Abitur 1997. Als Partei kamen nur die Grünen in Frage: Die großen Volksparteien waren ihr zu beliebig, außerdem machen die Alternativen die bessere Frauenpolitik, sagt sie. So gründete sie mit Freunden eine Gruppe der „Grünen Jugend“. In Münster, jener Stadt im Westfälischen, wo eine merkwürdige Mischung aus katholischem Konservatismus mit grünen Tüpfelchen zu Hause ist.

Mit 12 Jahren kam sie in die deutsche Kleinstadt. Ursprünglich stammt ihre Familie aus Rumänien, sie gehörte der deutschen Minderheit an. Eines ihrer ersten politischen Erlebnisse ereignete sich dort in ihrer Geburtsstadt Timisoara: Als 6-Jährige bemalte sie selbstvergessen ein Bild des Diktators Ceaușescu in einem Schulbuch. Der Verweis konnte gerade noch verhindert werden. „Aber ich habe mein rotes Pionierstüchlein nicht bekommen wie alle anderen“, bemerkt sie, und kann heute darüber lachen. Sie war anders. In Rumänien wie in der neuen Heimat Deutschland. In beiden Ländern sei sie wegen ihres Akzents und ihrer Herkunft gehänselt worden. „Vielleicht erkläre ich mich dadurch anders“, sagt sie. Irgendwann in dieser Zeit jedenfalls hat Ramona Pop ihr Leben selbst in die Hand genommen. „Es gibt Leute, die gehen in die Politik, weil sie keine Freunde haben“, bemerkt sie. Bei ihr sei das allerdings nicht der Fall.

Das Handy klingelt. Der Freund ist dran. Für einen Moment verzieht sie sich in der lauten Kneipe unter den Tisch, rollt mit den Augen und lamentiert in die Sprechmuschel. Die Abgeordnete Pop verwandelt sich kurz in Ramona, die Studentin. Natürlich hat sie noch Zeit für Hobbys. Sie gehe ganz normal auf Partys, mache Videoabende und habe als Alibi auch ein Abo im Fitnessstudio, obwohl sie eigentlich gar nicht sportlich sei.

Ehrgeiziger ist sie in der Politik. Grüne Jugend – erst in Münster, dann als Bundessprecherin, Mitglied im Frauenrat der Partei und in der Grundsatzkommission – und das innerhalb von vier Jahren. Und jetzt also Volksvertreterin.

Die schnelle Parteikarriere gründet sich auf viel Eigeninitiative. „Frauen stellen ihr Licht zu oft unter den Scheffel“, meint sie, man müsse sich auch melden, wenn man etwas wolle. Sie hat sich gemeldet. Als sie nach dem Vordiplom 1999 von Münster an die Freie Universität wechselte. Gerade zwei Wochen war sie in Berlin und suchte bei den Grünen ein neues Betätigungsfeld. Da schaute sie einfach mal bei Renate Künast vorbei, damals Fraktionschefin im Abgeordnetenhaus. Sie erzählt es wirklich so, als sei es das Naheliegendste gewesen. Damals hatte die Öko-Partei gerade ein Mentorenprogramm gestartet. Junge weibliche Nachwuchstalente sollten von namhaften Parteipolitikerinnen gefördert werden. „Ich finde ihre taffe Art, Politik zu machen, gut“, sagt Pop über Künast. Die beiden trafen sich abends bei Pasta und Wein, waren sich sympathisch, und in den folgenden sechs Monaten ging Ramona Pop bei Renate Künast in die Lehre. So werden politische Karrieren gestrickt. Künast ist heute Bundesministerin. Und Ramona Pop?

Offensichtlich hat sie das Handwerk bei Künast gelernt. Bei wichtigen Terminen gelassen sein, Reden vorbereiten und nicht zuletzt den Umgang mit den Medien. Sie versteht es mittlerweile, bei unangenehmen Fragen professionell auszuweichen, und sie beherrscht den grünen Politikersprech. Welche Koalition ihr denn in Berlin am liebsten wäre? Kann sie nicht sagen, ihr gehe es um die Umsetzung grüner Inhalte. Nervt es sie, auf einmal so im Blickpunkt des Interesses zu stehen? „Nein, noch nicht.“ Politik werde nun mal auch über Personen definiert. Würde sie sich dem linken Flügel ihrer Partei zuordnen? „Ja.“ Aber sie bilde sich zu jedem Konflikt ihre eigene Meinung. „Ich bin ein sehr pragmatischer Mensch, aber in der Partei wird zu oft Pragmatismus mit Opportunismus verwechselt.“

Ein kleines blondes Mädchen kommt mit einem vollgekritzelten Zettel an den Tisch. „Hallo, wollt ihr unterschreiben?“, fragt sie. Ein Kinderheim in Kreuzberg solle geschlossen werden, sie sammle dagegen Unterschriften. Natürlich nimmt die Grünen-Politikerin den Kuli in die Hand. Professionell fragt sie nach, um welche Einrichtung es sich denn handle. So funktioniert Politik. Selbst als das Mädchen ihr quiekendes Haustier vorführt, eine Ratte, bleibt sie geduldig.

An höhere Ziele in der Politik, etwa eine Kandidatur für den Bundestag, will sie zurzeit nicht denken. „Ich weiß noch gar nicht, ob ich überhaupt in der Politik bleiben will.“ Außerdem könne man so was gar nicht planen. „Aber man kann es ja im Hinterkopf behalten.“