Nichts zu bedauern

Entspannt und mit sich selbst im Reinen geht Anke Huber (26) heute beim Masters-Turnier den letzten Auftritt ihrer zwölfjährigen Tenniskarriere an

aus München DORIS HENKEL

Wenn sie für jede der Fragen, die sie in den vergangenen Wochen wieder und wieder beantwortet hat, fünf Mark oder besser fünf Euro bekommen hätte, dann wäre das Sparschwein schon voll. Der schönste Sieg? Der größte Moment? Was war? Was wird sein?

Seit Anke Huber, demnächst 27, Ende Juli am Rande des Fed Cups in Hamburg erklärt hat, sie werde ihre Tenniskarriere beenden, ist sie auf Abschiedstour. Sie tut, was sie kann, sie gibt sich sogar so viel Mühe wie selten zuvor. Dass es ein Fehler war, schon im Sommer über den Abschied zu reden, dass es besser gewesen wäre, erst den letzten Ball zu spielen und dann zu sagen: das war’s, das weiß sie jetzt auch. Aber darauf kommt es nicht mehr an. Das Ende ist zum Greifen nah, und es ist ein Ende nach ihrem Geschmack.

Dass sie sich zum Abschluss ihrer Karriere noch einmal, zum siebtenmal insgesamt, für das Masters-Turnier der 16 weltbesten Spielerinnen qualifiziert hat, gefällt ihr genauso gut wie der Umstand, dass dies nun ein Heimturnier ist. Aus ihrer Sicht kam der Wechsel vom New Yorker Madison Square Garden in die Münchner Olympiahalle gerade noch zur rechten Zeit. Heute Nachmittag wird sie mit der Partie gegen die Belgierin Justine Henin ihr letztes Turnier beginnen, der Rest wird nur noch eine Frage einer überschaubaren Zahl von Punkten und Schlägen sein.

Sieht nicht so aus, als nähme sie der Abschied irgendwie mit. Zu sehr freut sie sich auf das „danach“, zu sehr sehnt sie sich nach dem Ende der Geschichte. Es gibt nichts zu bedauern. „Ich bin zufrieden mit dem, was ich erreicht habe“, sagt sie. „Sicher hätte ich gern auch ein Grand-Slam-Turnier gewonnen, aber es hat nicht sollen sein.“ Zweimal stand sie in einem großen Finale, beide Male verlor sie: 1995 im Masters-Endspiel gegen Steffi Graf, 1996 bei den Australian Open gegen Monica Seles. Die beste Platzierung in der Weltrangliste war die Nummer vier.

Was immer sie in mehr als zwölf Jahren als Tennisprofi erreicht oder verpasst haben mag, es spielt keine Rolle mehr; aus ihrer Sicht ist die Rechnung aufgegangen. Stünde sie heute noch einmal vor der Wahl, Tennisprofi zu werden, sie würde es wieder tun, doch nun ist sie bereit für den Wechsel.

Sie ist guter Dinge vor dem letzten Auftritt, und das Bedauern liegt ganz auf der Seite der anderen. Lindsay Davenport sagt, Anke sei eine Freundin und sie werde diese Freundin vermissen. Kim Clijsters, die zweite Belgierin, findet: „Es ist einfach schade, dass sie schon aufhören will.“ Aber worauf es wirklich ankommt, das hat Jennifer Capriati erfasst, die in München gestern zum Auftakt mühevoll mit 2:6, 6:3, 6:3 gegen die Bulgarin Magdalena Malejewa gewann: „Das ist Ankes Wahl – wenn es sie denn glücklich macht . . .“

A propos Glück – wie kurz und direkt der Weg zwischen den Welten sein kann, wenn man im richtigen Moment losgegangen ist, das zeigt das erste Foto des Babys Jaden Gil mit den stolzen Eltern Steffi Graf und Andre Agassi. Grafs Rücktritt liegt gerade mal zwei Jahre zurück, und es sieht so aus, als hätte sie die Zeit danach ziemlich gut genutzt. Das meint auch die Kollegin Huber. Die sagt: „Ich finde es schön, dass Steffi das so gut hingekriegt hat“ – und sie kann sich ein fröhliches Grinsen dabei nicht verkneifen.

Wenn der letzte Ball gespielt ist, kann viel passieren. Wie es nach dem Abschied weitergehen soll, das weiß Anke Huber noch nicht so genau. Sie freut sich darauf, sich erst mal treiben zu lassen, wohin auch immer, und sie freut sich auf den ersten Ausflug im Januar nach Australien als Touristin. Was danach komme, das werde sie in aller Ruhe entscheiden. „Ich bin lernbereit“, sagt sie, und es hört sich so an, als sei das nicht nur irgendein Satz. Ein paar Bälle muss sie noch schlagen, bis es so weit ist, und auch ein paar Fragen wird sie noch beantworten müssen vor dem ersten Tag in der neuen, großen Freiheit. Fragen zu fünf Euro das Stück.