Klotzläufe und Klootschießen

Lauter lustige Leibesübungen aus aller Welt stellt der Südwestrundfunk in 34 Teilen vor. Angepfiffen wird die Sport-Serie mit einem Beitrag über „Polo in Pakistan“ – leider zur besten Tele-Gymnastikzeit am frühen Nachmittag (Mi, 13.30 Uhr, SWR)

von HARTMUT METZ

Geht Ihnen das dumme Geschwätz von Dauerpolterern wie Schalke-Manager Rudi Assauer oder Cottbus-Trainer Ede Geyer auch auf den Keks? Haben Sie genug von dem kreiselnden Verkehr, der mit heulenden Motoren die Umwelt verpestet? Alle DSF-geschädigten Sportfans dürfen aufatmen: Der Südwestrundfunk (SWR) bricht ab heute Bahn für künftige Trendsportarten – immer mittwochs um 13.30 Uhr.

Der Zuschauer lernt bei Klotzläufen in Brasilien, Sepak Takraw auf Malaysia, Varpa in Schweden, Menschenpyramiden in Katalonien, Klootschießen in Ostfriesland und vor allem dem schweizerischen Hornussen, dass nicht alles Käse ist, was aus Emmental kommt. Die ambitionierte Reihe „Spiele der Welt“, die ab 6. Januar auf 3sat (hier wenigstens zur akzeptablen Sendezeit sonntags um 13.30 Uhr) wiederholt wird, dürfte zahlreiche TV-Preise in der Sparte Sport abräumen.

Abgesehen von dem Stilbruch, dass sich in die Serie der lustigen Leibesübungen auch „Fußball in England“ schmuggelte (obwohl – Kick and Rush ist ja auch kein richtiger Fußball!), beeindrucken die meisten Teile dieser 34 Halbstünder. Der SWR präsentiert dabei nicht nur spannende Wettkämpfe und Akteure, sondern zeigt herrliche Bilder von Land und Leuten und beleuchtet die kulturellen Hintergründe der zuweilen mehrere tausend Jahre alten Sportarten.

So erfährt der Zuschauer heute beim Start mit „Polo in Pakistan“, dass die wohl älteste Mannschaftssportart der Welt ihreUrsprünge 600 v. Chr. in Zentralasien hat. Damals standen sich über 100 Reiter gegenüber. Dschingis Khan und Alexander der Große sollen begeisterte Polo-Anhänger gewesen sein. Unsere Favoriten, bis zur WM 2006 König Fußball in der Gunst der Fans abzulösen, sind jedoch andere: Klotzläufe in Brasilien zum Beispiel. Während der verweichlichte Durchschnitts-Leichtathlet federleichte Alustäbe bei den Staffelrennen einsetzt, um ein paar Meter rasch zu überwinden, bricht das Indianervolk der Kraho mit 120 Kilo schweren Staffelhölzern durchs Unterholz. Bis zu 20 Kilometer schleppen die Süd-Amazonier jeden Tag die gewaltigen Stücke aus Palmenstämmen durch den Urwald hin zum nächsten Dorfplatz. Zugegeben, Frauen haben es unfairerweise – wie bei den meisten Sportarten – auch bei den Klotzläufen leichter: Nur schlappe 80 Kilogramm wiegt ihr Holz.

Wer bisher glaubte, Ghana sei ein etwas entfernter liegendes Fußball-Internat und vor allem für Exporte von Dribbelstars in die Bundesliga geschaffen, erfährt, dass der Ghanaer an sich sein geschmeidiges Wesen lieber im Wrestling stählt. Der ringerähnliche Nationalsport hat dabei bei Gott nichts mit den muskelbepackten Schwachköpfen im DSF zu tun, die in die Kameras brüllen und ihr Nichts in der Rübe mit irgendwelchen merkwürdigen Kappen abdecken.

„Spiele der Welt“ räumt auch mit dem Vorurteil aus der TV-Werbung auf, in Spanien – speziell Villabacho – dominiere der sportliche Wettstreit um das saubere Spülen von Töpfen. Der gute Katalane hasst Real Madrid und vergöttert den FC Barcelona sowie Menschenpyramiden. Letztere beide Vorlieben vereint Schuster. Der siebenjährige Junge klettert furchtlos auf die rund 15 Meter hohe Spitze des „Castillos“. Neun Stockwerke muss heutzutage jeder der 60 „Collas“ (Vereine), der etwas auf sich hält, bei den Stadtfesten bilden. 7.000 Burgen werden alljährlich zwischen Girona, Villafranca und Tarragona aufgetürmt, unten die kräftigsten Männer. Seit ein paar Jahren gesellen sich auch leidensfähige Frauen dazu. In der Pyramide bekommt das schwache Geschlecht kaum Luft, wenn es den Männern als so genannte „Krücken“ dient, um die ob der Last schweren Arme stramm zu halten.

Vom Zehner, der bisher noch keiner „Colla“ gelang, träumt auch Schuster. Er erhielt seinen Spitznamen nicht allein wegen seiner blonden Haare, die dem des einstigen Barca-Kickers Bernd Schuster gleichen. Der kleine Schuster war seinem Trainer vor einem Einkaufsmarkt aufgefallen. Dort bekam er einen Wutanfall, weil ihm seine Mutter kein Eis kaufen wollte.

Ein echter Kultsport, leider nur in Irland, ist das angeblich 6.000 Jahre alte Hurling. „Man muss schon viel Glück haben, um eine Karriere ohne Verletzungen zu überstehen“, sagt einer der Besten über die rasante Mischung aus Hockey und Rugby. Kritiker nennen den Ballsport mit dem Holzschläger schlicht „Dresche mit Esche“.

Sympathisch auch Varpa, ein von den Wikingern gepflegtes Zielwurfspiel. Wer das diskusähnliche Wurfgerät am schlechtesten platziert, muss im schwedischen Gotland die Kosten für das nächste Fest übernehmen. Und nach dem Genuss der 34 Teile von „Spiele der Welt“ werden sich Autofahrer auch nicht mehr wundern, sollten sie einmal zwischen Oldenburg und Emden in eine Menschentraube geraten, die aufgeregt die Straße entlangläuft. Sie befinden sich dann mitten in einem Match der ostfriesischen Landesliga im Boßeln.