Uni-Marketing beschweigt den Kommilitonen Atta

„Gate Germany“ zerbricht sich den Kopf, wie man die weite Welt an deutsche Unis holen könnte. Der 11. September kam dabei nicht vor

BONN taz ■ Deutschland hat keine akademischen Markennamen wie Cambridge oder Harvard vorzuweisen. Klar also, dass die hiesige Hochschulszene darauf erpicht ist, sich jetzt, in Zeiten des Wettbewerbs, noch schnell einen Namen zu machen, bevor alle findigen junge Leute rund um den Globus zum Studium in die englischsprachigen Länder aufgebrochen sind. Dafür haben die Hochschulchefs (HRK) und der akademische Austauschdienst (DAAD) das Konsortium „Gate Germany“ gegründet. Zum Wochenbeginn räsonnierte Gate in Bonn über sein Projekt.

Wissenschaftliche wie wirtschaftliche Interessen scheinen gut vereinbar, wenn jährlich 80 „Promotion Tours“ weltweit „die besten Köpfe“ für Deutschland rekrutieren sollen. „Promotion“, so merkt man, wird künftig in Deutschland stärker als bislang nach „Road Show“ und weite Welt klingen. „Keine Angst“, suggerieren einem die Marketingleute, „das ist kein Ausverkauf akademischer Ideale.“ In der Tat stimmte es eher heiter, wie sich die Unileute mit Vermarktung schwer tun: Es wirkt wie Anfahren mit angezogener Handbremse, wenn sie vorauseilend zu jeder Präsentation, die ein wenig Pep verspricht, schon mit einer kritischen Selbstkommentierung parat stehen.

Auch das böse Paradox deutschen Uni-Marketings kommt zum Vorschein. Das Werbefilmchen spart nicht den indischen Studenten aus, der offen vom „Rassismus“ und dem „Klima der Unsicherheit“ spricht, das er hier erlebt hat. Das macht so schnell keine normale Reklame nach.

Um etwas anderes wiederum haben sich die deutschen Uni-Vermarkter schlicht herumgedrückt. Der durchgängig verschwiegenen Subtext der Akademiker-Werbetage waren der 11. September und seine Folgen fürs Hochschulmarketing. NIEMAND in der Republik kommt um dieses Ereignis herum – nur die Unileute. Sie, die es wirklich beträfe, wollen offenbar nicht darüber nachdenken, wie „Gate Germany“ mit Kommilitone sleeper alias Mohammed Atta und Konsorten zurechtkommt. Das Bild vom Campus Deutschland als idealem terroristischem Ruheraum kratzt ja nicht nur am Image. Schaden nehmen in Zeiten der Rasterfahndund vielmehr die um Internationalität ringenden Hochschulen selbst.

Trotzdem hielt man dieser Tage am alten Konferenzfahrplan fest. Was an eine Untugend der Elfenbeinturmbewohner erinnert: Was nicht ins Konzept passt, das gibt’s auch nicht.

ANDREAS KAHLER