■ Leserinnen schreiben für den Frieden
: Krieg ist blanker Terror

betr.: „We don’t want Papa Sam“ (Schlagloch), taz vom 24. 10. 01

Es scheint, dass unsere Intellektuellen sich zum Ziel gesetzt haben, die Antikriegsbewegung argumentativ zu vernichten. [...] Vielleicht sollten KriegsgegnerInnen eins nicht tun: die Opfer der einen Katastrophe gegen die Zahlen anderer Opfer aufrechnen. Doch Erwachsensein kann nicht bedeuten, alte Ideale aufzugeben, sie könnten sich als vitale Fundamente der demokratischen Welt erweisen.

Die Kritik an den USA ist notwendiger denn je, da die Supermacht in unberechenbarer Weise eine Katastrophe nach der anderen anrichtet. Die Besorgnis erwächst nicht aus einer Ideologie, die sich grundsätzlich gegen Amerika richtet, sondern aus dem Miterleben einer Kriegspolitik, die Eskalation nicht nur in Kauf nimmt, sondern aktiv einplant. In diesem Zusammenhang sprechen mir die Zitate eines anderen Intellektuellen, Paul Virilio, aus dem Herzen (taz vom 22. 10.): „Man behandelt uns wie Kinder. Es gibt eine Infantilisierung der Citoyens. Man behandelt uns, als wolle man eine Panik verhindern. Es gibt eine Verweigerung von Wahrheit. Das ist eine Form der Zensur.“ [...]

KATJA VIEBAHN, Oldenburg

betr.: „Schröder und der islamische Kalender“, taz vom 30. 10. 01

Wer einen Täter „tot oder lebendig“ haben will, stellt sich gegen jede demokratische Ordnung. Bush hat noch nicht einmal gesagt, wo Bin Laden angeklagt werden soll, in den USA oder vor dem Internationalen Gerichtshof. Mit Krieg kann man keinen Frieden schaffen, sondern nur Tote produzieren.

Bush verliert, wenn er den Krieg abbricht, weil dann die Taliban ein Gefühl der Stärke bekommen und er verliert ebenso, wenn er Afghanistan „plattbombt“ und Bin Laden tötet, weil damit ein neuer Held entsteht, in dessen Namen man weitermachen wird.

BARBARA UDUWERELLA, Hamburg

betr.: „Heimlich, still und tödlich“, taz vom 25. 10. 01, „Dschihad gegen die Moderne“, taz vom 20. 10. 01

Im Namen der Nation werden Menschen zu Ausländern und Asylanten. Im Namen der Zivilisation werden aus ihnen potentielle Terroristen (Schläfer), Barbaren, ein Echo, das aus der zivilisierten Geschichte hallt und nie mehr verstummt ist, da es den Krieg der Globalisierung im Namen der Zivilisation legitimiert. Im Namen der Sicherheit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung wird gegen MigrantInnen und Asylsuchende Krieg geführt. Sie werden nach rassistisch konstruierten Merkmalen kriminalisiert, denn Demokratie ist eine Errungenschaft der Zivilisation.

Im Namen der Freiheit bombardieren die USA (auch) Afghanistan in die Abhängigkeit, unter dem Beifall der zivilisierten Welt, die expandiert, sowie China und die Sowjetuntion integriert.

Im Namen der Inneren Sicherheit wird die Zahl der Toten verschwiegen. Im Namen der Gesundheit produzieren die USA tödliche Biowaffen. Im Namen des Krieges für die Freiheit der Zivilisierten werden neue Barbaren definiert (Libyen, Syrien, Irak, Iran, Indien), die barbarische Biowaffen produzieren. Und es schließt sich wieder der Kreis, der Kriege im Namen der Zivilisation legitimiert.

Wer wird als nächstes bombardiert? Im Namen des heiligen Krieges der Zivilisierten, der Demokraten und der freien Marktwirtschaft, um Abhängigkeit, Ausbeutung und Mord zu heiligen?

ANGELIKA GREIS, Berlin

betr.: „USA zweifeln an ihrem Sieg“, taz vom 26. 10. 01, „Krieg im Ramadan“, „Berliner Aufruf“, taz vom 27. 10. 01

Der „Berliner Aufruf“ von WissenschaftlerInnen, KünstlerInnen und PolitikerInnen weist absolut in die richtige Richtung. [...] Dieser Krieg ist durch nichts zu rechtfertigen, denn er ist ebenfalls blanker Terror! In Wahrheit geht es um Öl, wenn später vom Kaspischen Meer eine Ölleitung aus der ehemaligen Sowjetunion durch das Land führen soll. Es geht um die totale Kontrolle über die gesamte Region, um für die Konzerne alle Rohstoffquellen zu sichern. Die USA hatten die Taliban unterstützt, um die damalige UdSSR zu besiegen. Ihnen war es egal, ob dadurch die Frauen in Afghanistan unterjocht würden oder nicht. Genauso egal ist ihnen heute der allen Muslimen heilige Ramadan! Wenn sie am Sieg zweifeln, warum setzen sie den Krieg dann fort? [...]

Auf ihrem Kongress in Berlin sprach sich die Attac-Bewegung für weltweite Gerechtigkeit statt Krieg aus. Stoppt das Blutvergießen in Afghanistan und helft den Menschen vor Ort.

CLARA LENINA, Lilienthal

Offener Brief an Claudia Roth

In der taz und anderen Zeitungen haben wir die Berichterstattung über Ihren Besuch in Pakistan einerseits und den Besuch des Bundeskanzlers in New York andererseits verfolgt. Beide waren Sie offensichtlich von Emotionen bewegt. Die öffentliche Bewertung macht aus Ihrem Empfinden eine sentimentale Herzensangelegenheit, aus dem Empfinden des Kanzlers eine Reifung zum Staatsmännischen. [...] Diese ständige öffentliche Abwertung weiblicher Qualitäten wie Fürsorge, Bewahren und Mitgefühl ist unerträglich. Und schmerzhaft ist es auch, wenn Sie als Frau, die Sie solche Qualitäten vertreten, gleich mit abgewertet werden. [...] Wir unterstützen Ihre Bemühungen um Unterbrechung der Kampfhandlungen und fordern darüber hinaus sofortige Einstellung der Angriffe auf Afghanistan, stattdessen Aufnahme politischer Verhandlungen. Wir erwarten die Einstellung der Kriegspropaganda und ein Aufdecken und Benennen der verschiedenen energiepolitischen und strategischen Interessen sowie die Bearbeitung des Nord-Süd-Konflikts und des Reich-Arm-Konflikts.

ANNA G. SIEKMANN und elf weitere Unterzeichnerinnen für

das Netzwerk eigenwilliger Frauen, Hannover

Die Redaktion behält sich den Abdruck sowie das Kürzen von Briefen vor. Die erscheinenden LeserInnenbriefe geben nicht notwendigerweise die Meinung der taz wieder.