Die Globalisierung im Griff

Bundeskanzler Gerhard Schröder ist auf Wirtschaftstour durch China. Die Konzerne VW und BASF weisen ihm den Weg. Thyssen-Krupp peilt schon die Transrapid-Strecke Schanghai-Peking an

aus Peking GEORG BLUME

Gestern im indischen Bangalore, heute in Peking, übermorgen in Schanghai – mitten in Krieg und Rezession besichtigt der Kanzler die blühenden Wiesen der Globalisierung. Das ist kein Nebenprogramm zu den politischen Gesprächen, die Gerhard Schröder auf seiner einwöchigen Asien-Reise zunächst in Islamabad und Neu-Delhi führte und in Peking fortsetzt – das ist die Kernbotschaft bundesdeutscher Außenpolitik seit vielen Jahrzehnten. Sie lautet bei allen politischen Wettern frei nach Bill Clinton: „It’s the economy, stupid.“

Selbst ein Mann wie Zhu Rongji kann sich darüber gelegentlich aufregen. Er wünsche eine „noch größere“ Rolle der Deutschen in der Weltpolitik, erzählte der chinesische Ministerpräsident dem Stern. Doch Zhu, selbst mehr Ökonom als Politiker, hätte sich die Bemerkung sparen können. Am Donnerstag reist er mit Schröder in die Hafenstadt Dalian, dem Magnet für japanische Investitionen in Nordostchina. Dann folgt am Freitag der nächste gemeinsame Stop in Schanghai, dem Wachstumswunder an der Jangtse-Mündung. Mag sein, dass die beiden Politiker unterwegs ihre Ansichten über George W. Bush und Ussama Bin Laden austauschen. In der aktuellen Krise handlungsfähig sind sie aber beide nicht. Nur stört das nicht. Denn das gemeinsame Geschäft entwickelt sich umso störungsfreier, wenn andere sich mit der Weltpolitik beschäftigen.

Und siehe da: Plötzlich liegen die Deutschen in China vielerorts vorn. Schanghai zum Beispiel, wo Zhu früher Bürgermeister war, fährt Volkswagen. Einen Anteil von fast 50 Prozent haben sich die Wolfsburger auf dem chinesischen PKW-Markt erkämpft, was sich am Produktionsstandort Schanghai mit einer Quasi-Monopolstellung des deutschen Konzerns bemerkbar macht. Sollen doch die Fords und Toyotas bleiben, wo sie hingehören, wird der Kanzler denken.

Dazu kommt noch die deutsche Magnetschwebebahn, die ab 2003 vom Schanghaier Zentrum zum Flughafen der Stadt fahren soll. Schröder und Zhu werden am Freitag die Baustellte besichtigen, die sie als ihr Eigenwerk betrachten: „Französische oder japanische Technik? Mir gefällt die deutsche gut“, hat Zhu gesagt. Das wird der Kanzler gerne gehört haben. Denn er will in zwei Jahren, wenn sich der Transrapid in Schanghai erst einmal bewährt hat, den Ausbau der Strecke auf die etwa 1.300 Kilometer zwischen Schanghai und Peking vereinbaren. Aus diesem Grund wird der Vorstandsvorsitzende von Thyssen-Krupp, Ekkehard Schulz, als Vertreter des Transrapid-Konsortiums in dieser Woche schon einmal rechtzeitig mit Pekings Bürgermeister Liu Qi zusammentreffen – sozusagen im Schatten des Kanzlers und der übrigen Weltpolitik, damit man japanische und französische Einwände überhört.

Auto und Schiene aber sind nicht genug – auch die deutsche Chemieindustrie ist in Schanghai am Ball. Nur zwei Autostunden flussaufwärts der Metropole entsteht ein petrochemischer Komplex mit einer 50-Prozent-Beteiligung von BASF und einem Investitionsvolumen vonrund sechs Milliarden Mark. Heute will BASF im Beisein von Schröder und Zhu ein weiteres 2,2 Milliarden-Mark-Projekt unterzeichnen. „Das zeigt, wie wichtig Chinas für uns ist“, bemerkte kürzlich der BASF-Vorsitzende Jürgen Strube. „Bis 2010 wollen wir hier einen bedeutenden Teil unserer Umsätze tätigen.“

Bis 2010 – soweit kann ein Politiker nicht denken, aber doch immerhin bis 2006. Selbst Zhu wird dann nicht mehr im Amt sein. Er plant seinen Rücktritt im Jahr 2003. Aber die deutsche Außenpolitik wird bis dahin unverändert bleiben – mit VW, Thyssen und BASF an der Spitze. Schröder hat das im Griff.