Castor: rollt

Atommülltransport aus Unterweser unterwegs nach Sellafield. Neue Störfälle im AKW Neckarwestheim

BERLIN dpa/taz ■ Weitgehend störungsfrei rollte gestern ein Atommülltransport aus dem AKW Unterweser in die britische Wiederaufarbeitungsanlage Sellafield. In den frühen Morgenstunden hatten mehrere Atomkraftgegner den Zug kurz vor Hude (Kreis Oldenburg) etwa zehn Minuten gestoppt. Zwei Atomkraftgegnern war es gelungen, auf die Lokomotive zu klettern. Die Polizei nahm nach eigenen Angaben 48 Demonstranten vorübergehend in Gewahrsam. Der Zug mit zwei Behältern sollte am Abend die deutsch-französische Grenze passieren.

Nach der Pannenserie in deutschen Atomkraftwerken forderte gestern der BUND von Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) härtere Konsequenzen. „Da es bei Kontrolle und Überwachung der Atomanlagen in Baden-Württemberg über Jahre gefährliche Schlampereien gab, muss den Verantwortlichen die Betriebsgenehmigung entzogen werden“, forderte die atompolitische Sprecherin des BUND, Renate Backhau. „Aufsichtsbehörden, Kontrollbehörden, Gutachter und TÜV sind offensichtlich zu eng miteinander verquickt, als das eine unabhängige Kontrolle möglich war.“

Gerhard Goll, Vorstandsvorsitzender der Energie Baden-Württemberg (EnBW), will dagegen den Atommeiler Philippsburg schnell wieder anfahren. In Stuttgart stellte Goll die Auswertung aller EnBW-Meiler – 2 Blöcke in Philippsburg, 2 Blöcke in Neckarwestheim und in Obrigsheim – vor, die nach seinen Worten „über den gemeldeten Sachverhalt hinaus nichts Neues“ ergab. Der zum Wiederanfahren geforderte Maßnahmenkatalog sei nahezu fertig gestellt, sagte Goll. Als Konsequenz aus den Vorfällen forderte er eine einheitliche Neuordnung der betrieblichen Vorschriften und Regelungen, um Widersprüchen und Interpretationsspielräumen in Zukunft vorzubeugen. Im eigenen Haus will Goll einen Sicherheitsbeauftragten für die Atomanlagen einsetzen.

Unterdessen wurde bekannt, dass auch der zweite Block des AKW Neckarwestheim abgeschaltet bleibt. Das württembergische Landesumweltministerium teilte mit, dass es während der laufenden Revision vier meldepflichtige Ereignisse gab, die in die Kategorie N (normal) fielen. Eigentlich sollte der Reaktor heute wieder ans Netz.

Der nächste Castor-Transport ins Zwischenlager Gorleben wird definitiv nicht vor dem 11. November in Frankreich auf die Reise gehen. Mit Hinweis auf die beschädigte Eisenbahnbrücke hat die Bezriksregierung Lüneburg gestern den Beginn des Demonstrationsverbotes um eine Woche verschoben. Unangemeldete Demos sind jetzt zwischen 10. und 24. November, angemeldete zwischen dem 12. und 24. November verboten. Nach Angaben der Bahn müssen an der Brücke auf 15 Meter Länge tragende Teile ausgetauscht werden. Diese Teile seien bestellt, aber noch nicht geliefert. ü.o.