„Jetzt kommt es auf die Gerichte an“

Anna Büllesbach, Asylexpertin vom UNHCR, bewertet Schilys Zuwanderungsvorschläge vorsichtig positiv

taz: In dem neuen Entwurf Otto Schilys für ein Zuwanderungsgesetz soll ein Schutz für Opfer geschlechtsspezifischer und nichtstaatlicher Verfolgung verankert sein, Asyl allerdings wird ihnen nicht gewährt. Welche Auswirkungen wird das in der Praxis haben?

Büllesbach: Der Gesetzentwurf liegt uns noch nicht im Wortlaut vor. Aber wenn man jetzt diesen Vorschlag positiv interpretiert, nämlich dass politische Verfolgung nun auch geschlechtsspezifische und nichtstaatliche Verfolgung beinhalteten soll, dann wäre das eine sehr erfreuliche Klarstellung. Es würde sich für die Betroffenen das ändern, was sie vorher zu Recht als Kritik vorgebracht haben: Über ihnen würde nicht länger das Damoklesschwert der Duldung schweben.

Wenn Opfer geschlechtsspezifischer, nichtstaatlicher Verfolgung nun von Anfang an einen rechtmäßigen Aufenthaltstitel bekommen könnten, dann wäre das auf jeden Fall ein Fortschritt. Bisher wurden diesen Menschen oft nur ein reiner Abschiebeschutz aus nichtpolitischen Gründen gewährt und sie wurden nur geduldet. Diese Aussetzung der Abschiebung musste alle drei Monate verlängert werden. Dieser Duldungsstatus, der ja kein rechtmäßiger Aufenthaltstitel war, hat gerade den betroffenen Frauen eine Lebensplanung unmöglich gemacht und nicht zugelassen, dass sie wirklich hier zur Ruhe kommen.

Was wird sich konkret ändern?

Sehen Sie auf die Fälle von drohender Genitalverstümmelung. Auch wenn vereinzelt hier die deutsche Rechtsprechung in der Vergangenheit durchaus positiv war, reichte diese Bedrohung allgemein nicht aus, um einen gesicherten Aufenthaltsstatus in der Bundesrepublik Deutschland zu erlangen. Das ändert sich nun hoffentlich.

Halten Sie die neue Regelung im Gesetzentwurf für ausreichend?

Der jetzige Gesetzentwurf ist ein erster Schritt. In der Praxis wird es natürlich auf die Gerichte ankommen, die ein solches Gesetz in die eine oder andere Richtung entwickeln können. Ein Beispiel: Vor dem Krieg in Bosnien-Herzegowina war es gängige Meinung vieler Richter, sexuelle Gewalt als eine Art Kollateralschaden eines Bürgerkrieges zu betrachten. Das hat sich in den letzten Jahren zwar immer noch nicht ausreichend, aber doch sehr positiv geändert. Das ist ein Bewusstseinsprozess, der nicht mit einer Gesetzesänderung abgeschlossen sein darf.

INTERVIEW: PASCAL BEUCKER