Verfolgte Frauen dürfen bleiben

SPD hält Zuwanderungskompromiss für „dermaßen attraktiv“, dass die Grünen ihn gar nicht ablehnen könnten. Fest steht jedenfalls: Auch nicht vom Staat sowie geschlechtsspezifisch Verfolgte bekommen künftig eine Aufenthaltserlaubnis

von JEANNETTE GODDAR

Nach den Zugeständnissen Otto Schilys beim Asylrecht fordert die SPD den Koalitionspartner auf, sich dem Kompromiss für ein Zuwanderungsgesetz nicht zu verschließen: Das Angebot sei „dermaßen attraktiv – das können die Grünen gar nicht ernsthaft ablehnen“, erklärte Dieter Wiefelspütz, innenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, gegenüber der taz. Bei der Anerkennung nichtstaatlicher und geschlechtsspezifischer Verfolgung seien Konzessionen gemacht worden, „mit denen überhaupt niemand mehr gerechnet hat“. Der Parteirat der Grünen will am kommenden Montag über eine Zustimmung zu dem inzwischen dritten Entwurf des Innenministers entscheiden.

Auch wenn der vollständige Gesetzentwurf noch nicht schriftlich vorliegt, herrscht inzwischen Klarheit darüber, wie mit nichtstaatlichen und geschlechtsspezifischen Asylgründen verfahren werden soll: Zwar wird die Verfolgung durch Bürgerkriegsparteien oder Milizen, aber auch Genitalverstümmelung, Vergewaltigung oder frauenspezifische Folter auch künftig kein Recht auf Asyl laut Artikel 16a begründen – eine wesentliche Verbesserung wird aber dennoch erreicht. So hat, wer nichtstaatliche oder geschlechtsspezifische Verfolgung geltend machen kann, künftig Anspruch auf eine befristete Aufenthaltserlaubnis. Anders als eine Duldung, in deren Besitz schon heute zahlreiche Bürgerkriegsflüchtlinge sowie einige verfolgte Frauen sind, beinhaltet diese das Recht auf Freizügigkeit, volle Sozialleistungen, eine Arbeitserlaubnis sowie die Möglichkeit, nach fünf Jahren in den Besitz einer dauerhaften „Niederlassungserlaubnis“ zu gelangen. Gewährleistet wird dies durch den in der dritten Fassung neu formulierten Paragrafen 60, Absatz 1, in dem es heißt: „Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seines Geschlechts, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist.“ Laut dem neuen Paragrafen 25, in dem das Aufenthaltsrecht begründet ist, geht mit dem Abschiebeschutz die Erteilung einer befristeten Aufenthaltserlaubnis einher. Die Regelung ersetzt das bisherige „kleine Asyl“ laut Paragraf 51 Ausländergesetz.

Die Arbeitsgemeinschaft Pro Asyl bezeichnete gestern die Weigerung der CDU, den Entwurf mitzutragen, als „unlauter und doppelzüngig“: Auch die CDU habe per Beschluss des Bundesausschusses vom 7. Juni die Politik aufgefordert, „sich der Problematik der Opfer nichtstaatlicher Verfolgung bewusst zu werden“. „Das tut sie jetzt“, konstatierte Günter Burkhardt, Geschäftsführer von Pro Asyl, gegenüber der taz. Massive Verschlechterungen befürchtet Pro Asyl aber nach wie vor für diejenigen der 260.000 Geduldeten, die auch in Zukunft weder nichtstaatliche noch geschlechtsspezifische Verfolgung geltend machen können. Burkhardt geht davon aus, dass dies der wesentlich größere Teil sein wird.