Hamburgs Kultur und die Politik des leeren Stuhls

Niemand will in der Hansestadt Kultursenator werden. Das Ressort bleibt vorerst vakant und wird von FDP-Schulsenator Lange verwaltet

HAMBURG taz ■ Selbst in Sachen Kultur habe die Schill-Partei reüssiert, kalauern Spötter in Hamburg. Das Thema taucht im Wahlprogramm der „Partei Rechtsstaatlicher Offensive“ überhaupt nicht auf – und einE KultursenatorIn hat die neue Rechtsregierung in der Hansestadt bislang nicht zu bieten.

„Das Amt bleibt zunächst unbesetzt“, musste der künftige Bürgermeister Ole von Beust (CDU) gestern kleinlaut einräumen. Wenn das Parlament des Stadtstaats heute die neue Landesregierung wählt, wird der Sessel des Kultursenators leer bleiben. Schulsenator Rudolf Lange (FDP) soll das Ressort kommissarisch mitverwalten.

Dem Einfluss seines Koalitionspartners, Vizeministerpräsidenten und Innensenators Ronald Schill ist dies zwar nur mittelbar zuzuschreiben. KulturpolitikerInnen aber stehen nicht Schlange, um in der neuen Regierung des Hamburger Rechtsblocks dieses Ressort zu bekleiden. Ist doch allgemein bekannt, dass alle renommierten Kulturschaffenden der Hansestadt in der Initiative „Künstler gegen Rechts“ Front gegen Schill gemacht hatten. Bekannt ist auch, dass von Beust diesen Posten zunächst abschaffen wollte. Für den Bereich solle ein „mir als Bürgermeister zugeordneter Kulturbeauftragter“ genügen, so von Beust damals. Erst nach heftigen Protesten machte der CDU-Mann einen Rückzieher.

Auch deshalb ist es dem neuen Regierungschef peinlicherweise bis gestern Abend nicht gelungen, das Ressort zu besetzen. Bisweilen geriet die Fahndung nach eineR neuen KultursenatorIin – möglichst parteilos und wegen der Frauenquote gerne weiblich – zur Posse. Berlins ehemaliger CDU-Kultursenator Christoph Stölzl war im Gespräch. Stardirigent Justus Frantz wurde ebenso gehandelt wie Schlagersängerin Vicky Leandros, die als angeheiratete Freifrau von Ruffin auf einem Gutshof vor den Toren Hamburgs residiert.

Den Tiefpunkt hatte die Kandidatensuche erreicht, als Alexandra von Rehlingen für das Amt gehandelt wurde. Die PR-Beraterin, Gattin des Promianwalts Matthias Prinz und unverzichtbarer Bestandteil aller hanseatischen High-Society-Events, kennt den künftigen Bürgermeister noch aus Studientagen. Wichtigtuerisch plauderte sie aus, von Beust habe auch ihr das Amt angetragen, aber sie habe huldvoll abgelehnt. Hamburgs Klatschreporter wissen zu berichten, das Verhältnis zwischen den beiden sei nunmehr abgekühlt.

Der Ärger hatte am 18. Oktober begonnen. Am Morgen vor der Präsentation der Senatsriege hatte Nike Wagner, Urenkelin des Komponisten Richard Wagner und für das Amt der Kultursenatorin vorgesehen, fernmündlich abgesagt. Die von ihr geforderte Erhöhung des Kulturetats von rund 2 auf 2,5 Prozent des Gesamthaushaltes war in den Koalitionsverhandlungen gekippt worden. Als die Absage eintraf, so gestand von Beust, sei ihm „fast die Kaffeetasse aus der Hand“ gefallen. Jetzt steht er vor einem kulturpolitischen Scherbenhaufen. SVEN-MICHAEL VEIT