Munition, Berater, Geduld

US-Präsident George W. Bush will zunächst keine Bodentruppen entsenden. Das Pentagon rüstet die Nordallianz besser aus. Die Öffentlichkeit in den USA und Großbritannien ist zunehmend skeptisch

US-Präsident George W. Bush hat auf die Forderungen von Kongressmitgliedern nach der Entsendung von Bodentruppen mit Zurückhaltung reagiert. „Jetzt zu diesem Zeitpunkt“ sei es die Strategie der USA, „mit den Truppen zu arbeiten, die jetzt am Boden sind, um unsere Mission zu erfüllen“. Damit bezog sich Bush offenbar sowohl auf die als befreundete Truppen betrachteten Milizen der Nordallianz als auch auf die bereits in Afghanistan in sehr kleinen Einheiten operierenden US-Soldaten.

Damit wies Bush die Einschätzung des konservativen Senators und Vietnam-Veteranen John McCain zurück, der den Einsatz von umfassenden Bodentruppen im Afghanistan eingefordert hatte. Allerdings schloss der Präsident einen solchen Schritt auch nicht explizit aus. Das wichtigste sei, dass seine Regierung „entschlossen und geduldig“ ihre Strategie umsetze. „Ich bin sehr zufrieden mit dem Fortschritt, den wir machen“, sagte Bush. Das „amerikanische Volk“ sei geduldig und verstünde, „dass es eine Weile dauern wird, bis wir unser Ziel erreichen“.

Auch Verteidigungsminister Donald Rumsfeld wies Kritik an dem bisherigen Vorgehen zurück. Wer die Muster vorheriger Konflikte auf diesen Krieg anwende, müsse enttäuscht werden. Er habe von Anfang an gesagt, „dass dies ein Marathon ist und kein Sprint; dass es Jahre dauern wird und nicht Wochen oder Monate“. Dies würde auch so verstanden. Die Erwartung schneller Erfolge sei ein Problem der Medien. Er glaube nicht, „dass es im amerikanischen Volk diese Art von Kritik gibt.“

Um militärische Erfolge vorweisen zu können, will das Pentagon jetzt die Nordallianz und andere Oppositionsgruppen selbst mit Ausrüstungsmaterial versorgen. Waffen würden zu diesem Zeipunkt noch nicht geliefert, sagte Rumsfeld in Washington, aber einige der Gruppen seien an Munition interessiert: „Wir versuchen herauszufinden, welche Munition zu ihren Waffen passt, dann bringen wir sie dorthin.“ Da keine Landebahnen zur Verfügung stünden, werde die Munition mit Fallschirmen abgeworfen werden. Das Pentagon bestätigte außerdem, dass die oppositionellen Truppen in Afghanistan auch durch US-Soldaten am Boden unterstützt werden. Der Nordallianz stünden US-Berater zur Seite, sagte der US-Oberbefehlshaber für den Nahen Osten, Tommy Franks, gestern bei einem Besuch in der usbekischen Hauptstadt Taschkent.

Auch die Bombardements von Taliban-Stellungen zur Unterstützung der Nordallianz setzt das Pentagon offenbar unvermindert fort. Gestern gab es wieder Berichte über Luftangriffe auf Taliban-Truppen in der Nähe der nordafghanischen Stadt Masar-i-Scharif. Es soll ein Abschnitt angegriffen worden sein, an dem zuvor ein Vormarsch der Nordallianz gescheitert war. Auch Kabul und Kandahar waren wieder Angriffsziele. Im Osten des Landes sollen die Luftangriffe nach Angaben des Pentagon das weit verzweigte Tunnel- und Höhlensystem der Taliban treffen. Die US-Regierung behauptet, dass sich die Führungsriege der Taliban und des Al-Qaida-Netzwerks dort versteckt hält.

Ob die amerikanische Bevölkerung tatsächlich auf Dauer den Krieg unterstützt, wie von Präsident Bush und Verteidigungsminister Rumsfeld behauptet, ist nicht mehr so eindeutig wie noch zu Beginn der Luftangriffe. Einer Umfrage der New York Times zufolge glauben nur noch 28 Prozent der US-Bürger, dass Ussama Bin Laden gefasst werden könne. Vor zwei Wochen waren es immerhin noch 38 Prozent. Nur 25 Prozent der Befragten denken, der Krieg verlaufe für die USA „sehr gut“. Auch bei dem engsten Verbündeten der USA ist die Unterstützung für die Luftangriffe offenbar nicht mehr so deutlich wie am Anfang des Krieges. Eine Umfrage der britischen Zeitung The Guardian zufolge fiel die Zustimmung in den vergangenen zwei Wochen von 74 auf 62 Prozent. Für einen vorübergehenden Stopp der Angriffe sprachen sich sogar 54 Prozent der befragten Briten aus.

ERIC CHAUVISTRÉ