Alles ist schwarz

Nach der 0:2-Niederlage beim FC Liverpool darf Borussia Dortmund nur noch im Uefa-Cup mitmachen und bekommt schon deswegen den Blues

Aus Liverpool RONALD RENG

Spätestens um Mitternacht musste jeder im Reisetross von Borussia Dortmund gedrückter Stimmung sein. So wie drei Stunden zuvor im Stadion an der Anfield Road der FC Liverpool, so ließ nun die Musik im Speisesaal des Craxton Wood Hotels den Fußballern aus Westfalen keine Chance, fröhlich zu werden. Unaufhörlich tönten beim späten Abendessen melancholische Popsongs aus den Lautsprechern. Und auch sonst war Traurigkeit Programm: Borussia Dortmund hatte den Blues. Mit dem Gefühl, dass sie sich hätten besser anstellen können und sollen, verabschiedeten sich die Champions-League-Sieger von 1997 nach der 0:2-Niederlage am Mittwoch in Liverpool schon in der Vorrunde aus dem diesjährigen europäischen Meisterwettbewerb. „Wir leben in einer Zeit, wo es nur Schwarz oder Weiß gibt, und bei uns ist im Moment sicherlich nichts weiß“, sagte Trainer Matthias Sammer.

Eine disziplinierte, leidenschaftliche, aber keineswegs spektakuläre Vorstellung mit Toren von Vladimir Smicer nach einer Viertelstunde und Stephen Wright kurz vor Spielende reichte Liverpool. Selbst die Nachricht, dass Dynamo Kiew gleichzeitig gegen Boavista Porto gewann und Dortmund somit ein Unentschieden genügte, um als Zweiter der Gruppe B die nächste Runde zu erreichen, konnte das Borussen-Spiel nicht erfrischen. „Ich habe versucht, schnell allen zu sagen, dass wir nur ein Tor brauchen“, berichtete Ersatzstürmer Fredi Bobic, der in der 68. Minute bei 1:0 eingewechselt wurde. „Leider sind wir nie vors Tor gekommen.“

Sammer versuchte dann zwar schnell, seine eigene Sicht wieder aufzuhellen, und entdeckte nachträglich noch ein bisschen Grau im schwarzen Abend. „Es ist nicht so, dass wir in dieser Champions-League-Runde gar nichts nachgewiesen haben“, sagte er. Zwei Heimsiege gegen Boavista und Kiew sowie zwei Unentschieden stehen zu Buche. Und doch ist der bleibende Eindruck, dass Dortmund noch mindestens ein, zwei Jahre davon entfernt ist, eine internationale Klasseelf zu sein.

Die Qualität etlicher Einzelspieler ist über Zweifel erhaben, auch wenn Tomas Rosicky in Liverpool nie ins Spiel kam und Stürmer Jan Koller bei all seinen Bemühungen, den Mitspielern den Ball aufzulegen, vergaß, dass er durchaus auch einmal selbst einen Torschuss versuchen darf. Was dem Team fehlt, ist die Balance, die ein überdurchschnittlicher defensiver Mittelfeldspieler ins Spiel bringt. Am Mittwoch wurde dies schmerzhaft deutlich, als Sunday Oliseh die ganze Palette von falschem Stellungsspiel über simpelste Ballverluste bis zu grauenhaften Pässen bot und in derselben Position der deutsche Nationalspieler Dietmar Hamann für Liverpool wieder einmal eine beeindruckend kompetente Vorstellung gab. Den Rest kann man lernen: sich von einem frühen Rückstand nicht wie in Liverpool entmutigen zu lassen, das Tempo besser zu variieren, die Flügelläufer verstärkt einzusetzen ...

Bis es so weit ist, „müssen wir noch ein paarmal auf die Schnauze fallen“, ordnete Torwart Jens Lehmann an. Die Niederlage habe „weniger mit dem starken Gegner als mit unserer Naivität zu tun“, und auch wenn „Fußball ein schöner Sport ist, bei dem ich selten Angst habe – Bedenken habe ich schon“, das Ausscheiden könne Borussia aus dem Tritt bringen.

Solche Befürchtungen mögen einen historischen Kern haben; vor zwei Jahren schied Dortmund ebenfalls in der Champions-League-Vorrunde aus und fand sich Monate später plötzlich im Bundesliga-Abstiegskampf wieder. Dass sich die Geschichte wiederholt, ist allerdings eine lächerliche Vorstellung. Dafür hat Sammer, anders als Michael Skibbe vor zwei Jahren, das Team zu sehr im Griff.

Es ging auf zwei Uhr nachts zu, die Profis waren schon auf die Hotelzimmer geschlichen, als Manager Michael Meier mit einem Glas Weißwein in der Hand bekannt gab, man müsse „jetzt positiv denken“. Immerhin dürfe Borussia als Gruppendritter im Uefa-Cup weitermachen, „das ist ein internationaler Wettbewerb, ein interessanter Wettbewerb“. Als sich Meier dann noch zur These steigerte, der Uefa-Cup könne sich im besten Fall sogar schöner als die Champions League erweisen, war klar: Jetzt war es Zeit zu gehen.