Eitel Sonnenschein in Peking

Bei Schröders China-Besuch stecken hinter den Freundlichkeiten knallharte Interessen

PEKING taz ■ Vor dem Tor des Himmlischen Friedens flatterten die deutsche und chinesische Fahne einträchtig, über der Großen Halle des Volkes herrschte eitel Sonnenschein, und die Ehrengarde übte gleich zweimal das Spalier am Osteingang. Außergewöhnlich wohlwollend empfing Chinas Premier Zhu Rongji gestern Bundeskanzler Gerhard Schröder, der am Nachmittag auf der dritten Etappe seiner Asienreise in Peking eingetroffen war.

Gleich zu Beginn kündigte Zhu an, Chinas Partei- und Staatschef Jiang Zemin sei bereit, aus Anlass des 30. Jahrestags der diplomatischen Beziehungen zwischen beiden Ländern in der ersten Jahreshälfte 2002 nach Berlin zu reisen. Zugleich lud Zhu Bundespräsident Johannes Rau in der zweiten Jahrehälfte nach China ein. Der chinesische Premier lobte die guten Wirtschaftsbeziehungen zum „größten Handelspartner Chinas in Europa“ über den grünen Klee. Nach Abschluss einiger Milliardenverträge liege Deutschland auch mit den Investitionen an der europäischen Spitze. Die beiden deutschen Chemiegiganten Bayer und BASF wollen in Schanghai große Anlagen errichten, die China zu einem Schwerpunktland in Asien machen.

Dass die Chemie auch zwischen den Regierungschefs stimme, betonten beide mit einem freundlichen Geplänkel vor laufenden Kameras: Wichtiger noch als die große Wirtschaftsdelegation, die mit ihm gereist war, sei ihm „die Begleitung meiner Frau“, sagte Schröder. Doris Schröder-Köpf, die heute direkt aus Deutschland einfliegt, freue sich sehr auf die „private“ Begegnung mit den Zhus in der Küstenstadt Dalian. Zhu: „Aber warum haben Sie denn Ihre Tochter nicht mitgebracht?“ Schröder: „Wie Sie wissen, sind wir Deutschen sehr diszipliniert.“ Seine Tochter habe keine Ferien und dürfe deshalb nicht die Schule schwänzen.

Da lächelte Innenminister Otto Schily ebenso wie Wirtschaftsminister Werner Müller, die deutschen Unternehmer und Parlamentspolitiker aller Parteien, Chinas Außenminister Tang Jiaxuan und alle versammelten Diplomaten und Beamten. Schröder hat bei den Chinesen einen Stein im Brett, seitdem er als einziger europäischer Politiker nach dem Bombardement der chinesischen Botschaft in Belgrad 1999 nach Peking reiste, um sich dort zu entschuldigen.

Hinter den Freundlichkeiten stecken knallharte Interessen: Die Deutschen erhoffen sich nach der Transrapid-Probestrecke in Schanghai noch mehr gute Geschäfte in China. Zudem kann Schröder demonstrieren, dass die Zeit der Bescheidenheit in der deutschen Außenpolitik vorbei sei. Genau hier setzen die Chinesen ein: Zhu hat nicht nur ein Faible für deutsche Technologie, sondern er sieht in einer selbstbewussten deutschen Regierung einen Verbündeten, um chinesische Interessen in den internationalen Beziehungen durchzusetzen. Schützenhilfe erhofft er sich etwa im Streit um das von den USA geplante Raketenabwehrsystem, das China heftig ablehnt. JUTTA LIETSCH