Thema Umwelt als Stolperstein

Die Europäische Union möchte ökologische Standards in Handelsverträge aufnehmen. Doch bei der WTO kann sie sich damit nicht durchsetzen

aus Genf ANDREAS ZUMACH

Bei der 4. Ministerkonferenz der Welthandelsorganisation (WTO), die vom 9. bis 13. November in Katars Hauptstadt Doha stattfindet, ist der Konfliktstoff nicht geringer als beim WTO-Treffen in Seattle vor zwei Jahren.

Zwar billigte der Allgemeine Rat der 142 WTO-Staaten gestern in Genf formell die letzten Kompromissvorschläge seines Präsidenten Stuart Harbinson (Hongkong) als Verhandlungsgrundlage. Doch in der Substanz ist nach wie vor keine der bisherigen Streitfragen geklärt. „Dieses Dokument beansprucht nicht, ein vereinbarter Text zu sein“, stellt Harbinson am Beginn seines Entwurfes für die Abschlusserklärung ausdrücklich fest. Auch verzichtet er auf die in den letzten zwei Jahren häufig zu hörende Ankündigung, in Doha solle das „Mandat für eine neue umfassende Verhandlungsrunde“ zur weiteren Liberalisierung des Welthandels erteilt werden.

Jetzt ist lediglich von der Aufnahme formeller Verhandlungen frühestens nach der für 2003 geplanten 5. Ministerkonferenz die Rede oder gar nur von einer „Fortsetzung“ der „Sondierungen“ und „Beratungen“, die bereits seit Seattle stattfinden. Auf der Strecke blieb die gemeinsam von der EU, Japan, Südkorea und der Schweiz erhobene, von den USA und vielen Ländern des Südens aber abgelehnte Forderung nach Mandaten zu Verhandlungen über Investitions- und Wettbewerbsregeln.

Die EU konnte sich auch mit ihrer Forderung nach Verhandlungen über die Aufnahme von Umweltstandards in Handelsverträge nicht durchsetzen. Die USA und fast sämtliche Staaten des Südens lehnen diese Forderung als „versteckten Protektionismus“ ab. Der Entwurf für die Minister sieht vor, dass die WTO-Arbeitsgruppe „Handel und Umwelt“ zumindest bis 2003 weiter über das Verhältnis zwischen WTO-Abkommen und internationalen Umweltverträgen berät.

Ähnlich beschieden wird auch das Verlangen von EU, US-Gewerkschaften und Menschenrechtsgruppen nach Berücksichtigung sozialer Standards in WTO-Verträgen. Der Entwurf wiederholt nur die 1997 vereinbarte Formel, für diese Fragen sei „die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) zuständig“.

EU-Diplomaten machten im Vorfeld der gestrigen Genfer WTO-Ratstagung ihre „erhebliche Unzufriedenheit“ über den Entwurf für die Ministererklärung deutlich. Am Thema „Handel und Umwelt“ könne „Doha noch scheitern“. Als „unakzeptabel“ wiesen Vertreter der EU sowie Japans, der Schweiz und Norwegens auch die Formulierungen zum Thema Landwirtschaft zurück. Danach sollen die Minister als Ziel für die seit Januar laufenden Agrarverhandlungen festlegen, dass Exportsubventionen „schrittweise ganz abgebaut“ und interne Stützungmaßnahmen für die Landwirtschaft „substanziell reduziert“ werden. Vertreter der Cairns-Gruppe, der die 15 größten Agrarexporteure angehören und die von der EU seit Jahren eine schnelle „Eliminierung“ von Exportsubventionen fordert, geht der Entwurf hingegen nicht weit genung.

Die größte Enttäuschung herrscht jedoch unter den Staaten des Südens. Die von ihnen verlangten Verhandlungen über eine Verschärfung der Anti-Dumping-Bestimmungen der WTO hat Harbinson nicht in den Entwurf aufgenommen. Zum zweiten hat der Ratspräsident das wichtigste gemeinsame Anliegen aller Länder des Südens formal ganz aus der Ministererklärung herausgehalten: Erleichterungen für die Umsetzung der Abkommen, die 1994 zum Abschluss der Uruguay-Welthandelsrunde vereinbart wurden. Seit Seattle liegen rund 100 Anträge aus Ländern des Südens auf dem Tisch, die Umsetzungfristen für die dort beschlossene Liberalsierung der Agrarmärkte zu verlängern. Über keinen von ihnen wurde bisher entschieden. Nun schlägt Harbinson vor, über 40 von ihnen in Doha zu befinden und 60 weitere zu verschieben.

In einem Separatdokument soll der seit Monaten schwelende Konflikt zwischen handelsrelevanten Patentschutzbestimmungen (Trips) der WTO und dem Zugang zu Medikamenten behandelt werden. Harbinson schlägt zwei alternative Formulierungen vor: „Die Trips-Regeln dürfen nicht dazu genutzt werden, den Zugang zu bezahlbaren Medikamenten zu erschweren oder zu verhindern.“ Hinter dieser Formulierung stehen die meisten Länder des Südens unter Führung Brasiliens, Indiens und Südafrika, die als führende Hersteller von Generika auch ein wirtschaftliches Interesse haben. „Die Trips-Regeln sind flexibel und lassen den Staaten – zumal in Ausnahmesituationen wie der Aids-Epidemie – ausreichend Spielraum, die medizinische Versorgung der eigenen Bevölkerung zu sichern.“ Diese Position wird unterstützt von den USA, Japan und der Schweiz, in der die weltgrößten Pharmakonzerne mit Patenrechten zu Hause sind.