Suche nach Wasser und Leben im All

Seit einigen Tagen umkreist die Nasa-Sonde „Odyssey“ den Roten Planeten. Sie soll, wie schon mehrere Vorgängersonden, nach Wasser auf dem Mars suchen. Doch einige Experten stellen den Mythos vom wasserreichen Planeten in Frage

von KENO VERSECK

Einst war der Mars warm und feucht. Es gab auf ihm Seen und Ozeane. Gewaltige Ströme von Wasser formten riesige Flusstäler und Canyons. Auf dem Mars sah es ähnlich aus wie auf der jungen Erde. Möglicherweise war sogar primitives Leben auf dem roten Nachbarplaneten entstanden.

Dieses Bild von der Frühgeschichte des Mars ist seit fast dreißig Jahren das gängige unter Forschern. Es hat sich durchgesetzt, seitdem die US-amerikanischen „Viking“-Sonden 1976 Marsbilder zur Erde funkten, aus denen Wissenschaftler schlossen, dass es auf dem Mars vor 3,5 bis 3,8 Milliarden Jahren Flüsse und Ozeane gegeben haben müsse. Spekulationen über frühes mikrobiologisches Leben auf dem Mars heizten nicht nur die verwirrenden und bis heute nicht geklärten Experimente der „Viking“-Instrumente an, sondern vor einigen Jahren auch die umstrittene Entdeckung von Mikrofossilien in Marsmeteoriten.

Nach dem „Viking“-Programm stand bei den meisten Marsmissionen die Suche nach Wasser im Vordergrund. Vor allem die stark von der öffentlichen Meinung abhängige US-Raumfahrtagentur Nasa schwor ihre Geldgeber immer wieder auf das faszinierende Szenario eines frühen Geschwisterplaneten der Erde ein. Zu Prioritäten der Nasa-Forschung in den letzten zehn Jahren machte ihr scheidender Chef Daniel Goldin seine beiden Steckenpferde: Wasser und Leben im All.

Darum geht es auch bei der neuesten Marsmission. Letzte Woche schwenkte die Sonde „Mars Odyssey 2001“ in eine Umlaufbahn um den Mars ein. Mit ihren Instrumenten wollen Wissenschaftler in den nächsten Jahren vor allem nach Wasser auf dem Mars suchen. Geklärt werden müsse nicht, so meinen derzeit viele Marsforscher, ob es Wasser auf dem Mars gab, sondern warum und wohin sein größter Teil vor rund 3,5 Milliarden Jahren verschwunden sei. Manche Geologen haben bereits Berechnungen darüber angestellt, wie viel Wasser noch an den Polkappen des Mars lagert und wo genau es unter der Oberfläche des Mars zu finden ist. Doch solche Überlegungen könnten sich als geozentrisches Wunschdenken erweisen.

Die Theorie eines einst wasserreichen Mars stützt sich auf die Interpretation bestimmter geologischer Formationen des Mars als Küstenlinien ehemaliger Ozeane und als durch Wasserströme geformte Flussbetten. So geht der bekannte US-Marsforscher Michael H. Carr, Autor des Buches Water on Mars, davon aus, dass es große Grundwasservorräte auf dem Mars gegeben hat und zum Teil noch gibt, die durch geothermale Aktivität an die Oberfläche gelangten und dort in riesigen Fluten die beobachteten Flusssysteme formten.

Doch reines Wassereis oder „untermarsisches“ Wasser konnte bisher nicht nachgewiesen werden. Auch andere Anzeichen für einen in seiner Frühgeschichte wasserreichen Mars, wie etwa karbonathaltiges Gestein, konnten die Instrumente bisheriger Marsmissionen nicht finden. Sicher scheint allenfalls, dass Wasser zusammen mit Kohlendioxid in einem Eisgemisch gebunden ist, vor allem an den Polkappen des Mars.

Nicht zuletzt wegen fehlender Nachweiserfolge neuerer Marsmissionen bekommt die „Wassermars“-Theorie inzwischen Risse. Vor zwei Jahren deuteten Aufnahmen der Nasa-Sonde „Mars Global Surveyor“ erstmals darauf hin, dass die vermuteten Ozeanküstenlinien in der Nähe des Schildvulkans Olympus Mons, des mit 26 Kilometern höchsten Berges im Sonnensystem, in Wirklichkeit doch keine sind. In diesem Frühjahr zeigten Geologen der University of Arizona, dass die angenommenen Küstenlinien wahrscheinlich ein Netz tektonischer Linien sind, die durch extrem starke Aktivität in der Marskruste entstanden.

Einige Forscher wie der australische Geologe Nick Hoffman haben in jüngster Zeit Modelle eines „Kohlendioxidmars“ entwickelt, die besser zur früheren und heutigen Beschaffenheit des Mars passen und auf die umständlichen Annahmen der „Wassermars“-Theorie verzichten können. Demnach haben sich Formationen, die wie Flusstäler, Becken oder Canyons aussehen, durch explosive Ausbrüche großer Mengen „untermarsischen“ flüssigen Kohlendioxids gebildet. Bei solchen Ausbrüchen entstanden Wolken aus erosivem, gasförmigem Kohlendioxid, Staub und Gestein, die ähnliche Muster hinterließen wie die, die bei der Erosion durch Wasserfluten entstehen.

Andere Überlegungen gehen davon aus, dass Marsgestein, welches aussieht, als sei es durch fließendes Wasser geformt worden, in Wirklichkeit durch Kohlendioxid erodiert ist, und zwar in einem jahreszeitlichen Wechselspiel: Während des Marswinters friert gasförmiges CO2 in Gesteinsporen ein. Im Sommer dehnt sich das CO2-Eis durch wärmere Temperaturen aus, wird unter dem Druck des Gesteins flüssig und gast schließlich aus.

Die „Kohlendioxidmars“-Theorie hätte nicht nur zur Folge, dass der Mars der Erde allenfalls sehr entfernt ähnelt und die Chancen, mikrobiologisches Leben oder Fossilien zu finden, deutlich sinken. Auch das Geld für Marsmissionen, bei denen Instrumente vor allem für die Suche nach Wasser und Lebensspuren ausgelegt sind, wäre verschwendet.

Nick Hoffman, der seine Überlegungen einem größeren Kreis von Marsforschern erstmals bei der GeoMars-Konferenz der Nasa im August dieses Jahres vorstellte, glaubt, dass ein „Paradigmenwechsel“ in der Marsforschung im Gange ist. „Die Mehrheit der Mars-Wissenschaftler hängt zwar noch dem Wassermodell an“, so Hoffman kürzlich in einem Kommentar für den Online-Dienst spacedaily.com, „aber viele beginnen zu erkennen, dass Kohlendioxid zu lange ignoriert wurde und seine komplexe Physik und Chemie in Studien über den Roten Planeten berücksichtigt werden muss.“