Österreichische Öde für Öztoplu

Der prominente Wiener Migrantenvertreter wird nach seiner dubiosen Verhaftung jetzt auch politisch geschasst

BERLIN taz ■ Der Fall des von Deutschlands Justiz gesuchten prominenten österreichischen Migrantenvertreters Bülent Öztoplu beschäftigt die österreichische Regierung. Am Dienstagabend beschloss der Menschenrechtsbeirat des Innenministeriums, dem Öztoplu seit rund einem Jahr angehört, ihn nicht aus dem Gremium auszuschließen, sondern lediglich seine Mitgliedschaft ruhen zu lassen, bis die Vorwürfe gegen ihn geklärt sind.

Öztoplu, Geschäftsführer des Wiener Vereins „Echo“, der sich für die Rechte jugendlicher Migranten in Österreich einsetzt und Integrationsprojekte unterstützt, war am 12. September von einem schwer bewaffneten 20-köpfigen Sondereinsatzkommando der Wiener Polizei in seinem Büro verhaftet worden. Obwohl er sich der Festnahme nicht widersetzte, wurden ihm Handschellen angelegt; ein Haftbefehl wurde ihm nicht gezeigt.

Die Verhaftung ging auf einen internationalen Haftbefehl vom Landgericht Mannheim zurück. Dort wird ihm vorgeworfen, vor 17 Jahren bei einer Schlägerei mit Mannheimer Zivilpolizisten ein Messer benutzt zu haben – und der „versuchte Totschlag“ verjährt erst nach 20 Jahren. Öztoplu bestreitet den Vorwurf. Er war im Verlauf der Auseinandersetzung von einem der Männer, die er für Neonazis gehalten hatte, angeschossen worden und hatte seinerseits Anzeige erstattet.

Die Staatsanwaltschaft hatte Öztoplu seinerzeit nach einem Monat Untersuchungshaft mitgeteilt, das Verfahren gegen ihn werde eingestellt, und auch die Mitangeklagten wurden später lediglich wegen Körperverletzung und Widerstand verurteilt (s. taz vom 27. 10. 2001).

Die Umstände der Verhaftung beschäftigen jetzt auch die österreichischen Gerichte. Öztoplu hat über seine Wiener Anwältin Beschwerde beim Unabhängigen Verwaltungssenat eingereicht – immerhin war er fünf Tage lang isoliert. „Sie haben mich als Mitglied des Menschenrechtsbeirates so behandelt, wie sie auch sonst niemanden behandeln dürfen – das muss Konsequenzen haben“, sagte Öztoplu gegenüber der taz.

Derzeit wartet Öztoplu, der gegen Kaution frei ist, auf den Entscheid über seine Auslieferung nach Deutschland. Zwar steht zu erwarten, dass ein etwaiges Verfahren in Deutschland mit einem Freispruch endet – aber das kann dauern. „Ich will schnell einen Freispruch, denn ohne Freispruch wird mein Name nicht sauber“, sagt Öztoplu. Seiner Information nach hat das Innenministerium seinen Werkvertrag als Mitglied des Beirates unter der Hand bereits aufgelöst, entgegen des offiziellen Beschlusses. „Man hat das geschafft, was man schaffen wollte“, sagt er resigniert.

BERND PICKERT