Neue Runde im großen K-Spiel

Das Ermittlungsverfahren gegen Wolfgang Schäuble ist eingestellt, schon ist er schon als Kanzlerkandidat im Gespräch. Angela Merkel kann’s nicht freuen. Von einem „desaströsen Schaden“ spricht man in der CDU. Stoiber profitiert in jedem Fall

von PATRIK SCHWARZ

Presseerklärungen von Parteivorsitzenden fallen gerne ein bisschen länger aus, zumal wenn die betreffende Vorsitzende sich gerade in der Opposition befindet. Gibt es überdies Erfreuliches zu vermelden, wird auch mal eine zweite Faxseite in Anspruch genommen. Gestern reichten Angela Merkel drei Zeilen. Offenbar sah sie keinen Grund zum Überschwang. Schließlich ging es um Wolfgang Schäuble. „Ich freue mich über die Einstellung des Ermittlungsverfahrens gegen Wolfgang Schäuble“, teilte die CDU-Vorsitzende im ersten Satz mit. Der zweite lautete: „Ich habe zu keinem Zeitpunkt einen anderen Ausgang des Ermittlungsverfahrens erwartet.“ Der Rest des Blattes blieb weiß.

Der CDU-Vorsitzenden ist klar, dass die aktuelle Debatte über Wolfgang Schäuble als möglichen Kanzlerkandidaten der Union vor allem einer Person schadet: Angela Merkel. Am Mittwoch hatte Michael Glos, der Chef der CSU-Abgeordneten im Bundestag, Schäuble als dritten Unions-Anwärter auf die Kanzlerschaft ins Gespräch gebracht, neben Merkel und CSU-Chef Edmund Stoiber. Seitdem wird in der CDU gerätselt, ob Glos im Auftrag seines Münchner Meisters handelte – und mit welchem Kalkül. Gegen einen Alleingang spricht, dass Glos seinen Vorschlag bereits am Wochenende über eine Regionalzeitung lancierte, eine beliebte Methode Berliner Politiker. „Ich weiß, was der Wolfgang kann und leistet“, begründete er Schäubles Eignung gegenüber dem Südkurier aus Konstanz.

Als das erhoffte Echo in den überregionalen Medien ausblieb, veranstaltete Glos trotz sitzungsfreier Woche in der Hauptstadt eine seiner weiß-blauen Journalistenrunden. Schäuble sei „einer der fähigsten Politiker, die die Union hervorgebracht hat“, sagte Glos dort, der Ex-CDU-Vorsitzende komme „für jedes Amt in Frage, das in Deutschland zu vergeben ist“. Damit habe der Bayer Merkel „desaströs geschadet“, meint ein CDU-Bundestagsabgeordneter. Wer den Namen Schäuble in die Runde wirft, da sind sich selbst die Unterstützer der Parteichefin einig, bescheinigt damit Merkel, für den Job untauglich zu sein.

Entsprechend wird in der CDU bereits zurückgekeilt. „Man muss langsam mal fragen, wie gut Herr Stoiber seinen Laden im Griff hat“, heißt es aus Merkels Umgebung. In der CDU würden sich alle führenden Köpfe an die Absprache halten, mit der Kür des Kanzlerkandidaten bis Frühjahr 2002 zu warten. Das Argument ist apart, denn bisher hat stets die staatsparteiartig organisierte CSU ihren CDU-Kollegen mangelnde Disziplin vorgeworfen. Auf den offenen Konflikt mit dem Münchner Franz-Josef-Strauß-Haus will es die CDU allerdings nicht ankommen lassen.

Stattdessen hofft man inniglich, die Freunde aus München könnten es mit der Idee nicht so ernst gemeint haben. „Der Glos ist so zusammengefaltet worden, wie er das noch nie erlebt hat“, glaubt ein Christdemokrat. Als Beweis muss die „Tagesthemen“-Sendung herhalten, in der der CSU-Mann zwar Schäuble lobte, die Idee von der Kanzlerkandidatur aber nicht wiederholte. Edmund Stoiber wiederum pflegt zu Wolfgang Schäuble ein gutes Verhältnis, nicht zuletzt seit die beiden im Hessen-Wahlkampf 1999 die Unterschriftenkampagne gegen den Doppelpass koordinierten.

Der bayerische Ministerpräsident profitiert von der Diskussion um Schäuble in jedem Fall. Wenn er tatsächlich, wie viele Unionspolitiker inzwischen mutmaßen, aus dem Rennen mit Angela Merkel um die Kanzlerkandidatur aussteigen will, wäre Schäuble ein gesichtswahrender Kompromisskandidat. Schäuble, dem Stoiber mehr Führungskraft zutraut als Merkel, könnte der Union trotzdem zu einem passablen Ergebnis verhelfen. Entschließt Stoiber sich jedoch trotzdem noch, selbst anzutreten, hätte er gleich zwei renommierte Gegner aus dem Feld geschlagen – auch kein schlechter Start.