Zeitlos sprachlos

Neues Einwanderungsgesetz stößt auf Kritik: Deutschkurse nur für AusländerInnen, die sich beeilen  ■ Von Sandra Wilsdorf

Der ideale Einwanderer ist ein Mann – der fällt nicht aus, wenn Kinder kommen –, hat eine schnelle Auffassungsgabe und ist nicht mit der Verarbeitung seiner Vergangenheit, sondern ganz mit seiner deutschen Zukunft beschäftigt. Alles, was er braucht, sind ein paar Stunden Deutschunterricht.

So vermittelt es der Entwurf des Einwanderungsgesetzes von Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) in Bezug auf den Deutschunterricht. Was die Grünen als Novum feiern, nämlich den Anspruch auf Spracherwerb, stößt bei denen auf Kritik, die dafür zuständig sind. Sie fürchten eine deutliche Verschlechterung für die Ausländer, die schon lange hier leben. Bei einem bundesweiten Treffen der Sprachkursanbieter wurde bereits über Maßnahmen beraten. Auch in Hamburg vernetzen sich die Träger.

Mit dabei ist verikom. Das steht für „Verbund für Interkulturelle Kommunikation und Bildung“ und ist ein Zusammenschluss von vier interkulturellen Begegnungsstätten in Billstedt, Altona, Wilhelmsburg und Kirchdorf-Süd. Geschäftsführerin Iris Jäger kritisiert: „Den Anspruch auf einen Deutschkurs gibt es nur für bestimmte Zielgruppen und zeitlich begrenzt.“ Anspruch habe nur, wer noch nicht länger als drei Jahre in Deutschland lebt. Und: „Der Anspruch auf die Teilnahme an dem Integrationskurs ist an die absehbare oder bereits erreichte Dauerhaftigkeit des rechtmäßigen Aufenthalts geknüpft“, heißt es im Gesetzentwurf. Beim Aufenthalt aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen „kann eine Teilnahme im Einzelfall gerechtfertigt sein“.

Zu den Sprachkursen von verikom kommen zur Zeit noch überwiegend Menschen aus den ehemaligen Anwerberländern. Etwa die Hälfte von ihnen sind länger als drei Jahre hier, einige schon weit über zehn Jahre. „Frauen sind bei dem Gesetzentwurf nicht mitbedacht“, sagt Barbara Feige von der interkulturellen Frauenbegeg-nungsstätte in Wilhelmsburg. Denn die würden durch die Kindererziehung oft jahrelang von einem regelmäßigen Sprachkurs ferngehalten.

Zurzeit fragt niemand nach der Dauer des Aufenthaltes, wenn ein Ausländer sich zum Sprachkurs meldet. Es mangelt jedoch an Kapazitäten. „Wenn wir in Altona 100 Plätze anbieten, stehen 400 Menschen vor der Tür“, sagt Iris Jäger. Es regt sie auf, dass es in Öffentlichkeit und Gesetzentwurf das Bild vom integrationsunwilligen Ausländer gibt, nach dem Motto: „Wer es nach drei Jahren nicht geschafft hat, will wohl nicht.“

Künftig werden die Sprachkurse von den TeilnehmerInnen per Gutschein bezahlt. Und die bekommt nur, wer die Auflagen erfüllt. Das bedeutet auch, dass die Kurse eine Mindestteilnehmerzahl haben müssen, um finanzierbar zu sein. Das Ministerium geht von 20 SchülerInnen aus. Laut verikom viel zu viel für Menschen, die gerade lesen und schreiben können, aber noch nie in einer Gruppe gelernt haben – „lernungewohnt“ heißt das im Pädagogenjargon. Und genau diese Menschen kämen auch nicht mit den vorgesehenen maximalen 600 Unterrichtsstunden aus.

Verikom fordert Anspruch auf Deutschkurse für alle, unabhängig von Aufenthaltsstatus und -dauer. Dass Beschränkungen die Zukunft von Menschen verbauen können, zeigt das Beispiel einer jungen Afghanin. Sie lebt seit sechs Jahren in Hamburg. Weil sie über ein „sicheres Drittland“ eingereist ist, wurde sie als Asylbewerberin nicht anerkannt. Vor wenigen Tagen schließlich erhielt sie doch Asyl. Sie hat in den vergangenen Jahren Deutsch gelernt, ihren Hauptschul-abschluss gemacht und kann jetzt arbeiten. Wegen des jahrelangen ungesicherten Aufenthaltes wäre das nach der geplanten Neuregelung nicht möglich gewesen.