Wichtiger Baustein für Länderehe

Jochen Esser, medienpolitischer Sprecher der Grünen im Abgeordnetenhaus, warnt vor zu viel Schlankheitsdenken

taz: Warum sind Bündnis 90/Die Grünen so überzeugt von einer Senderfusion. Wo sehen Sie Vorteile?

Jochen Esser: Das hat im wesentlichen medien- und wirtschaftspolitische Gründe. Berlin und Brandenburg bilden einen Großraum. Es ist einfach nicht sinnvoll, ein konkurrierendes Nebeneinander aufrechtzuerhalten.

Sehen Sie die Fusion bereits als Baustein einer künftigen Länderehe?

Natürlich ist das ein Schritt dahin. Aus wirtschaftspolitischen Gründen ist die Länderfusion ebenso unvermeidlich.

Was sollte der Staatsvertrag zur Senderfusion, den die SPD bis Sommer 2002 aushandeln will, alles regeln?

Der Staatsvertrag selbst sollte sich auf die notwendigsten Dinge beschränken. Das sind die Gesamtrechtsnachfolge der neuen Anstalt gegenüber den Vorläufern, die Frage der Satzung und der Gremienzusammensetzung, die Frage des Sitzes und sicherlich auch des Namens.

Soll der Staatsvertrag auch die Phase der Senderfusionierung, also des Übergangs, regeln?

Ja. Konkret die Frage, ob einer der jetzt amtierenden Intendanten den Übergang managt. Oder ob es einen Gründungsbeauftragten geben soll oder ob gleich ein Gründungsintendant bestimmt wird, der die neue Anstalt dann für fünf Jahre leiten soll. Diese letzte Variante finde ich sehr sinnvoll. Dann kriegt die ganze Sache den entsprechenden Zug nach vorne.

Fusion bedeutet ja meist keine Addition, sondern auch Verschlankung. Was heißt das für die Zahl der jetzt existierenden Programme?

Die Politik muss dafür sorgen, dass mindestens ein Bestandsschutz gegeben ist. Es kann nicht sein, dass der neuen Fusionsanstalt Frequenzen abgeklemmt werden. Aber ich halte es für sinnvoll, möglicherweise Programme neu zusammenzuführen. Im TV-Bereich favorisiere ich ein Programm mit regionalen Fenstern.

Sollten auch die Gremien in Zukunft anders besetzt werden?

Die dürfen auf keinen Fall größer werden. Der Einfluss der Parteien sollte beschnitten werden. Wir brauchen darin auch Vertreter neuerer gesellschaftlicher Gruppen, wie die der Migranten, der Umweltverbände und der Menschenrechtsorganisationen. Dafür sollten andere, die jetzt noch drinsitzen, raus. Ich denke da an die Zeitungsverleger. Die sind ja mit ihren Medienkonzernen quasi Konkurrenz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.

Bleibt noch die Frage des Verwaltungsrats. Ein mächtiges politisches Gremium oder demokratisch kontrollierbar?

Bei der fusionierten Anstalt sollte unbedingt die SFB-Satzung beibehalten werden. Nach der wird der Verwaltungsrat aus der Mitte des Rundfunkrats heraus bestimmt. Das ist innerhalb der Öffentlich-Rechtlichen einmalig. Wenn der Verwaltungsrat unabhängig ist, versammeln sich in ihm Politiker und Mächtige. Dann verkommt der Rundfunkrat rasch zu einem Akklamationsorgan. Das wünschen wir nicht, auch wenn es schwer zu verhindern ist. INTERVIEW:
ADRIENNE WOLTERSDORF