Außenpolitik ohne Ethik

betr.: Krieg gegen Afghanistan

Der Krieg der Amerikaner gegen die Taliban hat trotz aller Allianzen und Strategien bisher nur hundertausende von Flüchtlingen, gegen 1.000 zivile Opfer, viele Verwundete, Hunger und die Zerstörung der minimalen Infrastruktur in Afghanistan gebracht. Damit hat er bestens das Szenario von Ussama Bin Laden erfüllt, der die Gläubigen des Islam als Opfer einer Vergewaltigung durch die Amerikaner und ihre Verbündeten darstellt und mit dieser Ideologie in aller Welt neue Freiwillige für Terroranschläge rekrutieren will. Statt mit den arabischen Staaten eine längerfristige Allianz gegen den Terrorismus und den Fundamentalismus aufzubauen, sie bei ihrer wirtschaftlichen Entwicklung zu unterstützen und sich für die Respektierung der Menschenrechte (inklusive Glaubensfreiheit) durch sie einzusetzen, haben sich die Amerikaner kurzfristig für einen Rachefeldzug entschieden.

Einen Waffenstillstand zwischen Israel und den Palästinensern, welche seit mehr als einem Jahr mit der 2. Intifada für einen eigenen Staat kämpfen, haben weder sie noch die Europäer zu Stande gebracht. Die planmäßige Eskalationspolitik von Ariel Scharon, der längst weiß, dass Jassir Arafat die Kontrolle über seine Bürger verloren hat, haben sie nicht stoppen können.

Als Bürger der europäischen Staaten werden wir zunehmend zu Geiseln einer konzeptlosen amerikanischen Macht- und Interessenpolitik, die schon in der Vergangenheit durch die Unterstützung von Saddam Hussein gegen den Iran oder der Taliban im Krieg gegen die jetzt verbündete Nordallianz Krisen in dieser Region ausgelöst hat. Neben der Gefährdung unserer Sicherheit werden wir für die enormen wirtschaftlichen Folgen auch dieses Feldzugs aufkommen müssen, bei der es um die Sicherung der für uns lebenswichtigen Rohstoffquellen gehen soll.

Dass mit einer Außenpoltik ohne ethische Prinzipien keine nachhaltige Interessenvertretung, keine Stabilität oder Entwicklung möglich ist, haben Politiker in den USA und Europa offenbar auch nach den Kriegen in Vietnam und Kambodscha, dem Putsch in Chile und den Kriegen in Lateinamerika und Afrika nicht begriffen. Die Ansätze zu einer solchen Politik (von Präsident Jimmi Carter und von einigen europäischen Staatsmännern) haben in Mazedonien, im Kossovo und in Bosnien zwar Kriege nicht verhindert, ihre Ausbreitung und ihre Folgen aber deutlich begrenzen können. Deshalb müssen wir jetzt die sofortige Einstellung der Luftangriffe und eine langfristige Allianz gegen Terrorismus (auch den staatlichen) fordern. FELIX ANDREAS DE FRIES, Zürich