Koalition wandert gemeinsam

SPD und Grüne haben sich beim Zuwanderungsgesetz weitgehend geeinigt, nachdem Innenminister Schily den Grünen entgegen kam. Morgen werden die letzten Detailfragen geklärt. Ex-BDI-Chef Henkel fordert Union zur Zustimmung auf

von PATRIK SCHWARZ

Ist das der neue Stil der Rücksichtnahme? Ausgerechnet zwischen den Grünen und dem Minister, an dessen rauen Umgangsformen sie sich so lange rieben? Bundesinnenminister Otto Schily weilte gestern noch im Fernen Osten, da mochten die Grünen nicht ohne ihn zu feiern beginnen. Dabei haben sich Rot und Grün an diesem Freitag im Jahr Drei ihrer Koalition so gut wie geeinigt auf ein neues Zuwanderungsgesetz.

Von „letzten Hürden“ spricht Volker Beck, der rechtspolitische Sprecher der grünen Bundestagsfraktion, und verweist auf ein abschließendes Gespräch am Sonntagabend. Tatsächlich werden wohl nur noch Details eingearbeitet werden – und dann die Fernsehkameras dazugebeten. Cem Özdemir sieht darum den Gesetzentwurf schon über den Berg – und in den grünen Gremien: „Ich gehe davon aus, dass wir zustimmen werden – mit einer klaren Mehrheit.“

Am Montag tagen der grüne Parteirat und der SPD-Vorstand, am Dienstag die Bundestagsfraktionen, am Mittwoch das Kabinett. Nach Lage der Dinge werden alle Beteiligten den Kompromiss durchwinken. Der Durchbruch in der Sache liegt dann ohnehin schon mehr als eine Woche zurück. Grünen-Verhandlungsführerin Kerstin Müller hatte ihr Glück kaum zu fassen vermocht, als Schily nach über 30-stündigen Verhandlungen dem kleinen Koalitionspartner unvermutet zwei Briefkuverts überreichte. Sie enthielten Zugeständnisse in allen Punkten, die den Grünen die Zustimmung zum Schily-Entwurf schwer gemacht hatten. Die Gespräche der kommenden Tage nahmen dem kleinem Koalitionspartner überdies die Furcht, das Innenministerium schmuggle in Schilys Angebot versteckte Bömbchen.

So genießt künftig verbesserten Schutz in Deutschland, wer aufgrund seines Geschlechts verfolgt wird oder von nicht-staatlichen Organisationen wie dem Taliban-Regime. Diese Flüchtlinge erhalten zwar weiterhin kein Asyl, wohl aber einen festen Aufenthaltsstatus und entgehen damit dem Leben in der Illegalität.

In Zukunft dürfen außerdem legal in Deutschland lebende Ausländer ihre Kinder bis zum Alter von 14 Jahren nachreisen lassen. Wenn die Kinder ausreichend deutsch sprechen, können sie auch bis zum Alter von 18 Jahren kommen. Eine Lösung gibt es auch für die circa 1,5 Millionen Menschen, die an der neuen Hürde für ein dauerhaftes Niederlassungsrecht zu scheitern drohten, weil sie schlecht deutsch sprechen. Sie gehören überwiegend zur ersten Gastarbeitergeneration und sollen die Zusage erhalten, rechtlich nicht schlechter gestellt zu werden.

Einen prominenten Gratulanten hat das neue Gesetz schon. Hans-Olaf Henkel, Mitglied der Zuwanderungskommission von Rita Süssmuth und jahrelang Chef des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, appelliert an die Union, im Bundesrat zuzustimmen. Der taz sagte Henkel: „Wenn man Meckern und Mosern zum Prinzip erhebt, dann werden wir nie weiterkommen.“